Was ist Geschlecht?
3. Transgender
Entsprechend der zu Grunde gelegten Definition stehen allen Cis-Menschen die Trans-Menschen gegenüber. Wir müssen folgerichtig von Cisgender und Transgender sprechen. Transgender sind also all jene Menschen, bei denen Identität, Fortpflanzung, soziale Wahrnehmung und all jene Aspekte, die wir üblicherweise einem Geschlecht eindeutig zuschreiben nicht auf der gleichen Ebene liegen, also in Mischformen vorkommen.
3.1 Transmänner und Transfrauen
"Transsexuelle" / "Transidenten"
Was früher als Transsexuelle oder auch als Transidenten bezeichnet wurde sind, entsprechend der Definition, Transmänner und Transfrauen. Diese Menschengruppe ist dadurch beschreibbar, dass bisher keinerlei biologische Anzeichen dafür gefunden wurden, warum der erste Augenschein der Hebamme nicht mit dem Erleben der eigenen Geschlechtsidentität in Einklang steht. In älteren Publikationen lesen wir immer wieder von einer Entwicklung der Geschlechtsidentität und entsprechend auch von primären und sekundären "Transsexuellen". Diese Differenzierung erweckt fälschlicherweise den Eindruck, dass es tatsächlich erst später zu einer "Transsexualität" kommen könne. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist es jedoch keine Entwicklung, sondern eine unverrückbare Vorgabe, der sich der Mensch im Laufe seiner Entwicklung bewusst wird (vergleichen Sie auch die Aussagen von Monay über Erziehung zum Identitätsgeschlecht in den 50er Jahren und die Gegenbeweise von Diomand aus der Mitte der 90er Jahre, dass gerade dies nicht möglich ist; beide USA, zur Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit einer Identitätserziehung und dem kulturell geprägten Scheuklappendenken von Monay). Vor allem erkennt der Mensch diesen Aspekt, die Geschlechtsidentität nur dann, wenn sie konträr zur Erwartungshaltung durch das zugewiesene Geschlecht verläuft. Transfrauen und Transmänner haben gegenüber anderen Transgendern den "Vorteil", dass die Zuweisung nur durch Augenschein erfolgt und nicht wie bei Intersexuellen durch medizinische oder chirurgische Eingriffe.
Wir erhalten nun zwei weitere Geschlechter. Die betroffenen Menschen werden vor dem Outing von der Gesellschaft wie Cisgender des zugewiesenen Geschlechtes behandelt und nach dem Outing wie Cisgender des Identitätsgeschlechtes. Da sie aber trans geboren sind bleiben sie auch ihr ganzes Leben lang trans. Oft ist es den betroffenen Menschen selbst nicht möglich sich von der Vorstellung "geheilt" zu sein zu lösen. Sie sind, wie die restlichen 98% der Menschen, in der westlichen Welt (und nicht nur dort) in der Vorstellung der ausschließlichen Zweigeschlechtlichkeit als natürliche Form des menschlichen Lebens verfangen und gefangen.
Mensch, weibliche Identität, (theoretisch oder auch praktisch) zeugungsfähig;
ist die soziale Wahrnehmung "Frau", dann handelt es sich um eine
Trans-Frau
Mensch, männliche Identität, (theoretisch oder auch praktisch) gebärfähig;
ist die soziale Wahrnehmung "Mann", dann handelt es sich um einen
Trans-Mann
Die dargestellten Symbole bezeichnen aber nur diejenigen, die
1. den Wechsel vom zugewiesenen Geschlecht zum gefühlten Geschlecht vollzogen haben;
2. nach diesem Wechsel auch von der Gesellschaft entsprechend wahrgenommen werden;
3. sich mit dem Wechsel und der Reflexion nun als Mensch richtig beschrieben und wohl fühlen.
Die folgenden Ausführungen sind zwar ein Vorgriff auf das 4. Kapitell, in dem noch deutlicher auf die Probleme eingegangen wird, erscheinen mir an dieser Stelle jedoch trotzdem bereits nötig zur Erreichung eines gewissen Grundverständnisses für die Problematik.
Anzumerken ist zunächst, dass die derzeit gültige Gesetzgebung vorschreibt, dass vor einer rechtlichen Anerkennung des Geschlechtes (nach § 8 TSG) nachgewiesen wird, dass die betroffene Person fortpflanzungsunfähig ist. Die juristische "Zwischenlösung", dass zunächst nur der Vorname entsprechend dem gefühlten Geschlecht angenommen werden darf (nach § 1 TSG), führt zu der Lage, dass solche Menschen in allen Belangen dem sozialen Geschlecht, das der Vorname ausdrückt, zugewiesen sind, in Bereichen Partnerschaft, Strafvollzug und Krankenhaus aber noch dem zugewiesenen Geschlecht zugeordnet werden dürfen, oder im Fall der Partnerschaft sogar zugeordnet werden müssen.
Da aber die gelebte soziale Rolle und juristische Zuordnung nichts an der Tatsache ändert, ob ein Mensch sich weiblich oder männlich fühlt, leben natürlich unter uns auch Transfrauen in der Rolle Mann und Transmänner in der Rolle Frau. Diese Transfrauen dürfen selbstverständlich Kinder zeugen, die Transmänner entsprechend Kinder gebären. Sie dürfen es auch dann noch, wenn sie ihr gefühltes Geschlecht nach außen leben und auf gesetzliche Anerkennung des gelebten Geschlechtes verzichten. Es gibt kein Gesetz das verbietet, dass jemand so lebt wie er sich fühlt. Es sind die Phantasien der Menschen und pseudowissenschaftliche Aussagen, die glauben Machen, ein Mensch wäre krank, pervers oder würde gegen Gesetze verstoßen, wenn er so lebt wie er sich fühlt. Diese Transfrauen und Transmänner, die noch keine rechtlichen Schritte eingeleitet haben, sind also zeugungsfähige Frauen und gebärfähige Männer (siehe Einführung "Nacht der 1000 Fragen").
Haben Transfrauen oder Transmänner das Recht der Vornamensänderung in Anspruch genommen und wird nach Ablauf von 300 Tagen nach der Anerkennung des neuen Vornamens, entsprechend dem gefühlten und gelebten Geschlecht, ein Kind geboren an dem sie zeugend oder gebärend beteiligt waren so wird die Rechtskraft der Vornamensänderung wieder aufgehoben. Wird ein Kind aber spätestens einen Tag vor Rechtskraft der Namensänderung geboren, dann bleibt die Vornamensänderung rechtsgültig, auch wenn dann eben in der Geburtsurkunde als Vater Claudia oder als Mutter Peter steht.
Wollen Transgender, die nur die Vornamensänderung vollzogen haben eine Partnerschaft eingehen, so richtet sich die Rechtsform der Partnerschaft ausschließlich nach dem zugewiesenen Geschlecht. Ein Transmann kann also mit einer Cis-Frau, entsprechend eine Transfrau mit einem Cis-Mann, nur eine Eingetragene Lebenspartnerschaft begründen. Will ein Transmann mit einem Cis-Mann eine schwule Partnerschaft eingehen, entsprechend eine Transfrau mit einer Cis-Frau eine lesbische, so ist dies nur in Form einer Ehe möglich. Von Amtswegen wird dann aber die Vornamensänderung für rechtsunwirksam erklärt (und kann drei Jahre später wieder beantragt werden, ohne dass die Ehe aufgelöst werden muss, jedenfalls nach derzeitiger Rechtslage).
Ist ein Transmann oder eine Transfrau zum Zeitpunkt der Namensänderung schon verheiratet, so bleibt die Ehe, wenn die Partner dies wollen, bestehen. Die Heiratsurkunde ist dann sogar, im Sinne des Ausforschungsverbotes des § 5 TSG, entsprechend dem geänderten Vornamen zu ändern, so dass als Ehemann z.B. "Frau Petra" oder als Ehefrau entsprechend "Herr Klaus" einzutragen ist.
Nach vollzogener Änderung des Geschlechtseintrages in die Geburtsurkunde werden Transfrauen und Transmänner vor dem Gesetz so behandelt, als wären sie Cisgender.
Es gibt eine nicht unbeträchtliche Zahl von Transmännern und Transfrauen, die sich mit ihrem zugewiesenen Geschlecht in irgend einer Form arrangieren, nur Teile der möglichen medizinischen und juristischen Hilfen für sich in Anspruch nehmen oder in einer mehr oder weniger androgynen Wahrnehmungsform leben. Sie sind deshalb weder mehr noch weniger trans als diejenigen, die sich zu einem vollständigen Wechsel in der gelebten Geschlechtsrolle entschließen. Die Behauptung, "Transsexuelle", also Transmänner und Transfrauen, würden die kulturell manifestierte Bipolarität von Geschlecht zementieren ist einfach falsch. Sie ist ebenso falsch wie die Behauptung, dass Transfrauen und Transmänner, die für sich eine individuell lebbare Form finden, eben nicht wirklich "transsexuell" wären.
3.2 Intersexuelle Menschen
Schlagen wir zu diesem Begriff ein Lexikon auf, so lesen wir dort (z.B. im Großen Brockhaus): "Intersexualität, Zwischengeschlechtlichkeit, zusammenfassende Bezeichnung für Abweichungen zwischen chromosomalem, gonadalem, innerem und äußerem somatischen Geschlecht." Im weiteren Text wird aber dann, im Sinne eines medizinischen Terminus, grundsätzlich von Defekten und Anomalien gesprochen. Am Ende lesen wir: "Intersexualität liegt vor bei Zwittertum, Pseudohermaphroditismus, Feminisierung oder Virilisierung."
Die Medizin teilt Intersexualität in die verschiedensten Syndrome auf und suggeriert damit, es würde sich primär um Krankheitsbilder handeln, für die sie eine "Heilung" in Aussicht stellen kann. Dabei wird von der medizinischen Wissenschaft völlig außer Acht gelassen, dass es Intersexualität schon immer gab, die Natur oder Schöpfung, jeder möge es so nennen, wie er es kann, eine klassifizierende Abgrenzung von männlich und weiblich nicht kennt. Diese Abgrenzung geschieht durch uns Menschen und die Bilder, die wir uns von der Welt machen. Führt man nun alle von der Medizin dargestellten Zahlen der Häufigkeit der "Syndrome" auf eine gemeinsame statistische Basis zurück und addiert dann die Zahlen, so erhält man ca. 936.000 derzeit in Deutschland lebende Intersexuelle. Es ist eine der "größten und zweifelhaftesten Leistungen" der Medizin diese Tatsache vor dem Bewusstsein der Bevölkerung zu verheimlichen.
3.2.1 Hermaphroditen - Zwitter
Hermaphroditen sind vollständig zweigeschlechtliche Menschen. Im volkstümlichen Sprachgebrauch werden sie als Zwitter bezeichnet. Bei ihnen bilden sich beide körperlichen Geschlechtsanlagen aus, teilweise vollständig, d.h. Eierstöcke und Hoden, Penis und Scheide. Die Existenz dieser Menschen ist schon in der antiken Mythologie beschrieben und taucht in allen Epochen der Zeitgeschichte auf. Das chromosomale Geschlecht ist, soweit mir dies bekannt ist, in der Literatur als männlich, also XY beschrieben (was natürlich, auch nach der schöpferischen oder biologischen Wahrscheinlichkeit nicht ausschließt, dass es auch XX-Hermaphroditen gibt oder Hermaphroditen mit gemischtem Chromosomensatz). Wenn wir sie nun mit unserem Darstellungsmodell beschreiben wollen, so erhalten wir:
genital weiblich und männlich;
fühlt sich beiden Geschlechtern zugehörig oder als 3. Geschlecht;
in der gesellschaftlichen Wahrnehmung u.U. androgyn oder indifferent
Zwitter
genital weiblich und männlich;
fühlt sich dem männlichen Geschlecht zugehörig;
in der Wahrnehmung männlich oder androgyn;
Zwitter, männlich
genital weiblich und männlich;
fühlt sich dem weiblichen Geschlecht zugehörig;
in der Wahrnehmung weiblich oder androgyn;
Zwitter, weiblich
genital weiblich und männlich;
fühlt sich keinem Geschlecht zugehörig;
Wahrnehmung indifferent;
Zwitter
Bei Hermaphroditen kann die Gebärfähigkeit erreicht werden. Weiblich lebende Zwitter haben Kinder geboren. Bei der Spermienproduktion geht man davon aus, dass sie für eine "Eigenbesamung" nicht ausreichend ist. Die Hoden produzieren zwar ausreichend männliche Hormone aber meist keine leistungsfähigen Spermien. Es ist jedoch bekannt, dass männlich lebende Zwitter Kinder gezeugt haben. Im Prinzip muss davon ausgegangen werden, dass in Abhängigkeit von der pubertären Entwicklung diejenige Form der Fortpflanzung möglich ist, die zuerst greift. Im Geschlechtshormonhaushalt ist ein biologisches "Gleichgewicht" nur dann vorhanden, wenn weibliche oder männliche Geschlechtshormone ein Übergewicht haben (nur so ist auch zu erklären, warum es möglich ist eine Verweiblichung oder Vermännlichung bei Transfrauen und Transmännern durch Hormonbehandlung zu erreichen). In den meisten mir persönlich bekannten Fällen wurden Zwitter zunächst männlich zugewiesen (Ausnahmen, die mir auch bekannt sind, bestätigen die Regel). In einem Fall, exemplarisch hier dargestellt, hat ein Zwitter, zunächst männlich zugewiesen, jedoch medizinisch nicht seiner Zweigeschlechtlichkeit beraubt, geheiratet und Kinder gezeugt. Heute jedoch leben diese beiden Menschen, Frauen, nach wie vor verheiratet, zusammen und wären beide in der Lage Kinder zu gebären (es fehlt lediglich der Mann und die Lust einen Mann an sich heran zu lassen). Es wurde aber auch durch die Medien ein Fall bekannt gemacht, in dem ein Zwitter um sein Baby dadurch betrogen wurde, weil Ärzte behauptet hatten, dass ein männlich zugewiesen und behandelter Zwitter nie schwanger werden könnte. Meines Erachtens haben Ärzte den Tod von Bettinas Baby billigend in Kauf genommen nur um ihre eigenen Theorien nicht zu gefährden. Diese Ärzte behaupteten, dass Betina nie schwanger werden könne, da sie ja jahrelang im Sinne der männlichen Zuweisung behandelt wurde. Handelte hier, in diesem Fall, die Wissenschaft dumm, unwissend oder gezielt menschenverachtend?
3.2.2 Pseudohermaphroditen - Scheinzwitter
Unter diesem Begriff versteht die Medizin jene Menschen, bei denen gonadal ein eindeutiges Geschlecht vorliegt, die weitere Entwicklung des Menschen aber zu einem gegengeschlechtlichen Erscheinungsbild führt. Man kann, entsprechend dem vorhandenen Chromosomensatz von XX-Männern und XY-Frauen sprechen. Weder der Chromosomensatz, noch die weitere Entwicklung des Menschen lassen zuverlässige Rückschlüsse, vor allem Prognosen über das Identitätsgeschlecht zu. Die Erziehung und Reflexion in der Gesellschaft nehmen lediglich in der Form Einfluss, wie und ob ein ungestörtes Erkennen und Leben des Identitätsgeschlechtes möglich wird.
Spätestens bei dieser Gruppe von Menschen wird deutlich, dass die üblicherweise verwendete und von mir differenziert betrachtete Geschlechtssymbolik nicht ausreicht. Querbalken und Pfeilspitze müssen ergänzend definiert werden.
sich entwickelndes Erscheinungsbild ist weiblich (nicht das genitale sondern gesamtkörperliche Bild)
sich entwickelndes Erscheinungsbild ist männlich (nicht das genitale sondern gesamtkörperliche Bild)
Wenden wir nun unter den Gesichtspunkten der Erweiterung wieder die Geschlechtssymbole an, so erhalten wir:
genital weiblich, entwickelt sich aber männlich;
Identitätsgeschlecht weiblich, Reflexion der Gesellschaft jedoch männlich;
weiblicher Scheinzwitter, virilisiert auch als XX-Mann bezeichnet
genital männlich, entwickelt sich aber weiblich;
Identitätsgeschlecht männlich, Reflexion der Gesellschaft jedoch weiblich;
männlicher Scheinzwitter, feminisiert auch als XY-Frau bezeichnet
genital weiblich, entwickelt sich jedoch männlich;
Identitätsgeschlecht männlich, Reflexion der Gesellschaft männlich;
männlicher Scheinzwitter
genital männlich, entwickelt sich jedoch weiblich;
Identitätsgeschlecht weiblich, Reflexion der Gesellschaft weiblich;
weiblicher Scheinzwitter
Aus dem Vergleich der Symbole 6 mit 11 und 7 mit 12 sehen wir, dass sich unter Verwendung der Geschlechtssymbole männliche und weibliche Zwitter von männlichen und weiblichen Scheinzwittern nicht unterscheiden lassen. Trotzdem handelt es sich natürlich um vier unterschiedliche Geschlechter.
3.2.3 Weitere Formen der Intersexualität
Für alle bisher beschriebenen Symbole galt, dass die Hebamme bei der Geburt ein Geschlecht durch Augenschein feststellen konnte oder eben sah, dass beide Genitalanlagen vorhanden sind. Darüber hinaus gibt es aber eben auch noch die Fälle, bei denen der Blick zwischen die Beine des Babys zu einer Fehleinschätzung kommt oder uneindeutig für eine Feststellung des Geschlechtes bleibt. Für diese grundsätzliche Betrachtung, deren Ziel es war deutlich zu machen, dass es weder richtig ist von zwei Geschlechtern zu sprechen oder von drei, kommt es auch nicht darauf an welche Ursachen dieser Umstand hat.
Alleine bei der chromosomalen Betrachtung von Geschlecht, von der die Bevölkerung weitgehend glaubt es gäbe eindeutig nur XX für Frauen und XY für Männer, sei hier angerissen, dass es eben auch XXY, XXYY, XXXY, X0-XY oder X0-XX gibt, um nur die häufigsten "Abweichungen" zu nennen. Nur dann, wenn der Mensch für sich zulässt, dass er ebenso genormt sei wie eine Schraube oder eine Industrieanlage, kann es erlaubt sein bei diesen anderen Formen der Geschlechtschromosomensätze von "Normabweichung" zu sprechen. Auch diese Menschen gehören zur Gruppe der Intersexuellen. (Besonders erstaunlich war für mich die Feststellung, dass die Wissenschaft schon lange weiß, dass es bei der Vereinigung von Spermium und Eizelle auch dazu kommen kann, dass die Geschlechtschromosomensätze YY, XYY, XY/YY, ... entstehen können, also Sätze mit ausschließlich oder überwiegendem männlichen Anteil. Gleichzeitig aber konnte bewiesen werden, dass genau diese Konstellation nicht lebens- oder entwicklungsfähig ist. Muss nun die Bibel umgeschrieben werden, da wissenschaftlich bewiesen ist, dass das männliche Prinzip für sich alleine nicht lebensfähig ist?).
Bei einer weiteren Gruppe von Menschen führen Einflüsse von Geschlechtshormonen zu Entwicklungen, die in ein "genormtes Schema" nicht passen. Dies können hormonelle Einflüsse in verschiedenen Phasen der Schwangerschaft sein oder das Fehlen von Rezeptoren für die Wirksamkeit von Hormonen (wie z.B. auch beim Scheinzwittertum). Es kommt so z.B. zur Entwicklung von XX-Männern, einer unaufhaltsamen Vermännlichung bei weiblichem Chromosomensatz (von der Medizin als AGS oder late onset AGS bezeichnet). Ebenso gibt es XY-Frauen, Menschen also, die trotz männlichem Chromosomensatz, auch durchaus testosteronentwickelnde Steuerung der Hormone, zu einer unaufhaltsamen Verweiblichung führt (die Medizin spricht von AIS, CAIS und PAIS oder verwendet andere Namen um diese Entwicklung zu beschreiben, z.B. Lub-Syndrom). Einige wenige dieser hormonellen Einflüsse können gesundheitliche Schäden hinterlassen oder verursachen, wenn sie nicht erkannt und behandelt werden (dies trifft aber nur auf etwa 0,1% der Betroffenen zu, also etwa 0.005% aller Menschen). Diese Nichtbehandlung kann sich auf das Wachstum oder die Fortpflanzungsfähigkeit auswirken. Mit hoher Wahrscheinlichkeit, rückzuschließen aus den Anamnesen von inzwischen erwachsenen betroffenen Menschen, kann weder die Behandlung noch die Nichtbehandlung die Geschlechtsidentität beeinflussen.
Der Körper eines Babys, seine Organe und Vitalfunktionen können untersucht werden und als gesund, krank oder behindert erkannt werden (besser wäre es sicher davon zu sprechen, dass sie einer schulmedizinischen Differenzierung nicht entsprechen, also eine Geschlechtsuneindeutigkeit oder Geschlechtsmehrdeutigkeit aufweisen). Ob ein Baby mit einer gesunden, kranken oder behinderten Seele auf diese Welt kommt entzieht sich unseren Möglichkeiten des Erkennens, es fehlen auch später alle Maßstäbe für eine derartige Beurteilung. Die Geschlechtsidentität ist das sichere Gefühl einem Geschlecht anzugehören oder zu erkennen, dass die Zuweisung falsch war oder es keinen Namen für die eigene Identität gibt, weil ihr kein Raum gegeben wird. Jede Form einer chirurgischen Korrektur im Sinne der geschlechtlichen Vereindeutigung muss im Sinne der Menschenrechte als kulturelle Verstümmelung gewertet werden. In der embryonalen Entwicklung entstehen nicht nur äußere Merkmale sondern auch damit verbundene Nervenverbindungen. Diese bleiben auch dann erhalten, wenn abweichende biologische Ausprägungen entfernt werden. Ein geschlechtszuweisender Eingriff bei Babys und Kleinkindern ist und bleibt eine genitale Verstümmelung durch kulturelle Vorgaben. Eine frühkindliche Behandlung mit Geschlechtshormonen, die nur für Erwachsene zugelassen und erprobt sind, ist eine schwere Körperverletzung.
Transgender - Transfrauen, Transmänner und Intersexuelle - müssen sich den Raum für ein menschenwürdiges Leben leider erst erkämpfen. Nicht jeder kann und will sich einfach nur einer Seite zuordnen lassen, wohl wissend, dass die Schöpfung mehr leistet als der Mensch bereit ist zu akzeptieren. Ich habe bei diesen Betrachtungen bei 12 (in Worten: zwölf) verschiedenen Geschlechtern aufgehört zu differenzieren. Vor Jahren hörte ich davon, dass ein amerikanischer Wissenschaftler bei seinen Versuchen Geschlecht zu definieren auf die Zahl 76 kam. Prof. Sigusch, von der sexualmedizinischen Fakultät der Universität Frankfurt, sprach bereits 1996 davon, dass wir vermutlich in Deutschland über 80 Millionen verschiedene Geschlechter haben, denn jeder Mensch hat nur sein Geschlecht, das persönlichste was ein Mensch überhaupt haben kann. Kein Jurist, Politiker, Menschenrechtler, Mediziner, ... hat das Recht dem Menschen zwischen die Beine zu schauen und dann festzulegen wie sich dieser Mensch zu fühlen habe.
Mir ist klar, dass diese Aussage einer "Kulturrevolution" gleich kommt. Wenn wir aber, jeder einzelne Mensch, bereit sind uns selbst und unsere Existenzberechtigung ernst zu nehmen, ohne anderen Menschen diese abzusprechen, dann müssen wir erkennen und akzeptieren, dass der bisherige Umgang mit der Frage Geschlecht ausschließlich eine Form der Machtverteilung und Machtunterwerfung ist, nicht aber der realen Existenz von Menschsein gerecht wird.