Was ist Geschlecht?
4. Konsequenzen der derzeitigen "Geschlechtsnorm"
In meinem Sachbuch "Gleiche Chancen für alle" (Herstellung bei libri, Bezugsquellen: Buchhandel, bod.de, amazon.de u.a.), für Transmänner, Transfrauen und ihr soziales Umfeld (Intersexualität streife ich in dem Buch nur am Rande), gehe ich im 1. Kapitell unter dem Titel "Erziehung, Moral und Gesellschaft" auf Grundsätze der Entwicklung eines Kindes in unserer Gesellschaft ein und das Problem warum es beim Erkennen der Identität zu Störungen kommen muss, zwangsläufig durch die kulturellen und religiös bestimmten Vorgaben. In Kapitell 4 "Eltern und Kinder" gehe ich nochmals vertiefend auf die Lage von Kindern und Jugendlichen ein. Ich stelle die Situation dieser Menschen aus der Perspektive von 1998/99 dar, die Möglichkeiten dieser Menschen und die Grenzen an die sie und ihre "Behandler" stoßen. Ganz bewusst habe ich Wert darauf gelegt weder anzuklagen noch zu spekulieren. Wenn ich nun aber über neue Geschlechterperspektiven schreibe, muss ich den Weg gehen:
1. Die Ist-Situation aufzuzeigen und ihre teilweise Unvereinbarkeit mit den Menschenrechten
2. die sich daraus ergebenden "Ungereimtheiten" darzustellen, bis hin zum juristischen Spagat
3. Änderungsvorschläge zu unterbreiten, im Sinne des Grundgesetzes und der Menschenrechte,
auch im Sinne der Akzeptanz einer universellen Schöpfung
Das deutsche Volk und alle staatliche Gewalt sind dem Grundgesetz verpflichtet, "im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, ...". Im Zusammenhang mit der Betrachtung von Geschlecht sind dabei vor allem wichtig:
Art. 1 Abs. 1 GG: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Art. 2 Abs. 1 GG: Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, ... und
Art. 2 Abs. 2 GG: Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Art. 3 Abs. 1 GG: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. und
Art. 3 Abs. 3 GG: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, ... benachteiligt oder bevorzugt werden.
Art. 6 Abs. 1 GG: Ehe und Familie stehen unter dem besonder en Schutz der staatlichen Ordnung.
Art. 19 Abs. 1 GG: Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muss das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. sowie
Art. 19 Abs. 2 GG: In keinem Fall darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
In den nun folgenden Ausführungen gehe ich zunächst auf die Möglichkeiten und Probleme von Partnerschaften ein, soweit sie gesetzlich geregelt sind, bzw. besondere gesetzliche Regelungen von den Paaren ausdrücklich in Anspruch genommen werden. Der Art. 6 GG hebt ausdrücklich eine Form der Partnerschaft, die Ehe, hervor. Daneben gibt es die Eingetragene Lebenspartnerschaft, die zwar nicht ausdrücklich vom GG geschützt ist, wohl aber mit dem Grundgesetz vereinbar (laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts).
Anschließend werde ich auf die Probleme von Kindern, von der Geburt bis zur Volljährigkeit eingehen.
4.1 Partnerschaften
Alle Menschen sind in irgend einer Form mit anderen Menschen von Geburt her verwandt. Diese natürliche Verwandtschaft, abgestuft in verschiedenen Graden, führt zu besonderen Rechten und Pflichten gegenüber dem Rest der Gesellschaft, mit dem ein Mensch nicht verwandt ist. Der höchste Grad der Verwandtschaft besteht zwischen Eltern und Kindern, gefolgt vom Verwandtschaftsgrad zwischen Geschwistern. Das Zusammenleben von z.B. Mutter mit der erwachsenen Tochter oder erwachsenen Geschwistern ist im rechtlichen Sinne keine Partnerschaft. In beiden Fällen sind sich die Menschen, vor allem auch im Sinne der Sozialgesetzgebung, gegenseitig verpflichtet. Wenn also z.B. die sehr gut verdienende Tochter ihre zum Sozialfall gewordene Mutter zu sich, in eine Lebensgemeinschaft holt, dann tut sie dies im Sinne ihrer sozialrechtlichen Pflicht, die sich aus dem Grad der Verwandtschaft ergibt (sie könnte sich natürlich auch mit Geldzuwendungen "frei kaufen").
Leben zwei miteinander nicht verwandte (oder nur sehr entfernt verwandte) Menschen zusammen, so ist damit eine Partnerschaft begründet. Der Staat unterstellt, im Sinne der Sozialgesetzgebung, dass diese Partnerschaft auf Zuwendung und zum gegenseitigen Nutzen aufgebaut ist und verhält sich wie im Fall von Mutter und Tochter, den ich oben kurz angerissen habe. Wenn es sich dabei um das Zusammenleben von einem (Cis-)Mann mit einer (Cis-)Frau handelt, also einer heterosexuellen Partnerschaft, dann sprechen wir von einer "wilden Ehe". Sozialrechtlich wird sie teilweise wie eine Ehe behandelt, ohne dass ihr der Schutz und die Vergünstigungen der staatlichen Ordnung zugestanden wird. Natürlich gibt es auch homosexuelle Partnerschaften die in "wilder Lebenspartnerschaft" zusammen leben (ob sie sozialrechtlich den selben Sanktionen ausgesetzt sind wie wilde Ehen entzieht sich jedoch meiner Kenntnis, was daran liegen kann, dass es eben nicht so ist. Das wäre dann aber eine, nach dem GG verbotene, Ungleichbehandlung und Benachteiligung von heterosexuellen Partnerschaften gegenüber homosexuellen Partnerschaften).
Zwei Menschen, die eine Partnerschaft eingehen haben die Möglichkeit diese Partnerschaft öffentlich zu dokumentieren, durch die Ehe oder die Eingetragene Lebenspartnerschaft. Bei beiden Rechtsinstituten ist der Gesetzgeber aber nur von der Existenz von zwei Geschlechtern ausgegangen, also von Cis-Menschen. In Ermangelung der Definition von Geschlecht ist dabei einzig der Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde maßgebend. Ich werde nun versuchen zumindest an einigen Beispielen darzustellen welche Folgen dies hat und vor allem wie gegen das im Grundgesetz garantierte Gleichheitsprinzip verstoßen wird.
4.1.1 Die Ehe
Fall 1:
Die Partner:
Herr Ernst ..., Transfau, bisher rechtlich nicht geoutet und keine Behandlungsschritte eingeleitet
Frau Eva ..., Cisfrau, fühlt sich heterosexuell veranlagt, kennt die wahre Identität von Ernst nicht
Herr Ernst ..., Geschlecht männlich (laut Geburtsurkunde) kann Frau Eva ..., Geschlecht weiblich (laut Geburtsurkunde) heiraten. Nach der Heirat kann Herr Ernst, da er sich als Transfrau fühlt, die rechtliche Anerkennung als Frau Claudia ... erreichen, Behandlungsschritte durchführen und verheiratet bleiben, wenn "er" auf die Änderung des Geschlechtes in der Geburtsurkunde verzichtet. Wenn "seine" Frau damit einverstanden ist, dann muss sogar die Heiratsurkunde dahingehend geändert werden, dass nun als Ehemann z.B. Claudia eingetragen wird (im Fall dass sich Eva als Transmann fühlt und auf die Änderung des Geschlechtes in der Geburtsurkunde verzichtet, kann die Heiratsurkunde dahingehend geändert werden, dass nun als Ehefrau Michael eingetragen wird).
In der gesellschaftlichen Wahrnehmung handelt es sich um zwei miteinander verheiratete Frauen (entsprechend im anderen Fall um zwei verheiratete Männer). Dies wird z.B. durch die gemeinsame Steuererklärung deutlich: Gemeinsame Veranlagung der Eheleute Frau Claudia und Frau Eva, denen natürlich die Vorteile des Ehegattensplittings zustehen.
Fall 2:
Die Partner:
Frau Claudia ..., Transfrau mit gesetzlicher Namensänderung
Frau Eva ..., Cisfrau, lesbisch, also homosexuell orientiert
Claudia ..., die bereits anerkannte Transfrau (früher Ernst genannt), Geschlecht männlich (laut Geburtsurkunde), möchte Eva heiraten. Ihr wird zunächst der Name Claudia aberkannt und sie wird zum Zeitpunkt der Verehelichung wieder Ernst genannt. Natürlich ändert dieser Rechtsakt nichts an ihrer Identität und Einstellung und der Standesbeamte steht vor dem Problem, dass er zwei Frauen, optisch natürlich auch so auftretend, von der er eben eine Ernst nennt, miteinander verheiraten muss. Drei Jahre später, nach derzeitiger Auslegung des TSG durch die Gerichte (wenn die Sonderregelung nach § 7 Abs. 3 nicht schon vorher in Anspruch genommen wird), kann Ernst seinen Vornamen wieder in Claudia ändern lassen und die beiden Frauen können ihre Heiratsurkunde ändern lassen, so wie es vorhin von mir beschrieben wurde. Auf diese Art und Weise versucht der Gesetzgeber, Parlament und Regierung, sich vor der Verantwortung Geschlecht zu definieren oder die Vielfalt der Geschlechter zu akzeptieren zu drücken.
Diese Ungleichbehandlung von bereits verheirateten Transfrauen und Transmännern gegenüber heiratswilligen Transfrauen und Transmännern ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Die Begründung, dies geschehe ja z.B. zum Schutze von bereits vorhandenen Kindern, ist juristisch nicht haltbar. Die entsprechende Vorschrift im "Transsexuellengesetz" TSG § 7 Abs.1 Satz 1 ist also verfassungswidrig (Aberkennung des geänderten Vornamen bei Eheschließung).
Außerdem werden lesbische/schwule Cispaare gegenüber lesbischen/schwulen Cis/Transpaaren benachteiligt. Beide Paarkonstellationen bestehen aus Partnern mit einer gleichgeschlechtlichen Identität und einer homosexuellen Orientierung. Cispaaren wird die Ehe verwehrt. Cis/Transpaare dürfen heiraten. Die gesetzlich derzeit vorgeschriebene Rücknahme der Vornamensänderung des Transpartners ändert weder dessen Identität noch dessen sexuelle Orientierung. Sie befriedigt lediglich den formaljuristischen Spagat.
Fall 3:
Die Partner:
Frau Claudia ..., Transmann, der den Antrag auf gesetzliche Namensänderung in Peter gestellt hat, aber noch nicht darüber entschieden wurde
Herr Michael..., Cismann, schwul, also homosexuell orientiert
Michael, lebend im Saarland, verliebt sich in Claudia und ist zunächst sehr irritiert, da er sich schon immer als schwul empfunden hat. Claudia wirkt sehr männlich. Michael erfährt, dass "sie" sich als Mann fühlt und auch sexuell schwul orientiert, schon in Behandlung ist und das TSG-Verfahren in Berlin, zur Anerkennung des Vornamens Peter, kurz vor dem Abschluss steht. Michael und Peter beschließen mit den noch nicht geänderten Papieren in Saarbrücken zu heiraten. Zwei Monate nach der Eheschließung dieses schwulen Paares, wird die Namensänderung von Peter rechtswirksam. Das Paar bleibt selbstverständlich verheiratet und lässt seine Heiratsurkunde auf den neuen Namen, Peter als Ehefrau, ändern. (Ich kenne sogar Fälle in denen solche Paare zunächst Kinder gezeugt und geboren haben, die sie heute als Väter gemeinsam erziehen. Dem Cismann und dem Transmann war klar, dass es ihnen nach derzeitiger Rechtssprechung nicht erlaubt würde Kinder zu adoptieren.) In beiden Fällen verhalten sich die Partner völlig legal.
Fall 4:
Die Partner:
Frau Monika ..., Transmann, jedoch nicht geoutet, weder dem Partner gegenüber noch gesetzliche Schritte
Herr Werner..., Transfrau, jedoch nicht geoutet, weder der Partnerin gegenüber noch gesetzliche Schritte
(Der folgende Fall ist real in England bekannt geworden und ich übertrage ihn hier auf deutsche Verhältnisse.) Monika und Werner heiraten.
In der Heiratsurkunde steht Ehemann Werner und Ehefrau Monika.
Nach einigen Jahren gesteht Werner, dass er eine Transfrau ist. Seine Freude darüber, dass seine Frau dies akzeptiert, lässt ihn nicht stutzig werden. "Er" macht die für "ihn" notwendigen Behandlungen und beantragt die Änderung des Vornamens in Gisela. Auf die Änderung des Geschlechtes in der Geburtsurkunde verzichtet sie, obwohl dafür alle Voraussetzungen erfüllt wären, damit sie sich nicht scheiden lassen muss.
In der Heiratsurkunde steht nun Ehemann Gisela und Ehefrau Monika.
Einige Zeit später gesteht Monika, dass sie sich als Mann fühlt. Nun macht Monika alle sinnvollen Behandlungen und beantragt die Änderung des Vornamens in Klaus. Auch Klaus verzichtet zunächst auf die Änderung des Geschlechtseintrages in der Geburtsurkunde.
In der Heiratsurkunde steht nun Ehemann Gisela und Ehefrau Klaus.
Monika und Werner haben also zunächst als heterosexuelles Paar eine Ehe geschlossen, so als ob sie ein Paar als Cisfrau und Cismann wären. Nach der Behandlung und Anerkennung von Gisela waren sie ein verheiratetes, heterosexuell lesbisches Paar, da sie ja nicht das selbe Geschlecht hatten - Gisela als Transfrau, Monika scheinbar als Cisfrau, jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung. Nach der Anerkennung der Identität von Klaus sind sie wieder ein heterosexuelles Ehepaar, auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Sie sind ein Paar, bestehend aus Transmann und Transfrau. Wären sie noch nicht verheiratet, dann könnten sie dies nun tun und es würde in der Heiratsurkunde stehen: Ehemann Klaus und Ehefrau Gisela. Der Versuch diesen Eintrag zu erreichen scheitert aber im vorliegenden Fall. Dazu muss der Geschlechtseintrag in beiden Geburtsurkunden vorher geändert werden.
Um dies aber zu erreichen müssen sich Klaus und Gisela zunächst scheiden lassen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 TSG).
Nun aber stoßen die Eheleute auf ein rechtlich unüberwindbares Problem:
Eine Ehe kann nur von einem Gericht geschieden werden. Die Voraussetzungen für eine Scheidung sind im § 1565 ff BGB festgelegt. Das Gericht muss feststellen, dass die Ehe gescheitert ist. Gisela und Klaus sehen ihre Ehe aber nicht als gescheitert an, sie wollen lediglich die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit und die Änderung der Heiratsurkunde entsprechend der gelebten Lebensrealität. Genau aus diesem Grund kann auch das Gericht die Ehe nicht als gescheitert ansehen und deshalb auch keine Scheidung vollziehen. Dies würde auch in dem Fall gelten, in dem nur ein Partner Transgender ist, seinen Eintrag des Geschlechtes im Geburtenbuch ändern lassen will, beide Partner aber auch in Zukunft weiterhin zusammenleben wollen. In beiden Fällen wäre der einzige "Ausweg", dass die Paare entsprechend § 1566 Abs. 2 BGB nachweisen, dass sie seit mindestens einem Jahren getrennt leben um geschieden zu werden.
Nun können beide den Antrag auf Änderung des Geschlechtseintrages in der Geburtsurkunde stellen. Nach dem beide Verfahren erfolgreich abgeschlossen sind können Klaus und Gisela wieder heiraten.
In der Heiratsurkunde steht nun Ehemann Klaus und Ehefrau Gisela.
(Entsprechend dem Fall, dass nur ein Partner Transgender ist, kann anschließend eine Eingetragene Lebenspartnerschaft begründet werden.)
Dieser Fall, der eben nicht konstruiert ist sondern nur auf deutsche Verhältnisse übertragen wurde, zeigt in ganz extremer Form wie durch das TSG gegen Art. 3 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 1 GG verstoßen wird. Er zeigt aber auch, dass durch die kulturell bedingte, eingeengte Vorstellung über Geschlecht und die daraus resultierende Gesetzgebung, die sich eben auf diesen Begriff stützt, Wechselwirkungen der Gesetze und ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und den Menscherechten nicht konsequent durchdacht sind.
Fall 5:
Die Partner:
Frau Nadine ..., Transfrau, gesetzliche Namensänderung, Geschlecht männlich (laut Geburtsurkunde)
Frau Angelika ..., Transfrau, gesetzliche Änderung des Namens und des Geschlechtes (also weiblich laut Geburtsurkunde)
Die beiden Frauen wollen heiraten und bestellen das Aufgebot. Die zuständige Standesbeamtin hat aus folgenden Gründen Bedenken. Auf der einen Seite ist ihr bekannt, dass sie das Paar wegen des unterschiedlichen Geschlechtseintrages in der Geburtsurkunde verheiraten kann, dann aber Nadine ihren Namen nach § 7 Abs. 1 TSG aberkennen muss. Die Beamtin hat aber durch eine Schulung zum Vollzug des Gesetzes zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft, kurz vor der Verabschiedung im Bundestag stehend, bereits erfahren, dass es dort keine entsprechende Regelung geben wird. Auf Nachfrage beim zuständigen Landesinnenministerium und weiterer Nachfrage beim Bundesministerium des Inneren, erhält die Standesbeamtin folgende Empfehlung:
Die beiden Frauen, unterschiedlichen juristischen Geschlechtes, können miteinander verheiratet werden. Auf die Anwendung der Vorschrift des § 7 Abs. 1 TSG solle verzichtet werden. Es sei schließlich nicht zu erwarten, dass die beiden Frauen Einspruch erheben, wenn die Vorschriften des TSG nicht zur Anwendung kämen. Es sei aber, vor allem im Sinne der Verabschiedung des Gesetzes zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft und des Erhaltes des TSG, sinnvoll jede Gefahr der gerichtlichen Auseinandersetzung zu vermeiden.
4.1.2 Die Eingetragene Lebenspartnerschaft
Fall 1:
Die Partner:
Herr Ernst ..., Transmann, bisher rechtlich nur mit vollzogener Namensänderung
Frau Eva ..., Cisfrau, fühlt sich heterosexuell veranlagt, kennt den Geburtseintrag von Ernst nicht
Eva möchte Ernst heiraten. Beide sind heterosexuell orientiert und werden in der gesellschaftlichen Wahrnehmung auch als Mann und Frau gesehen. Ernst klärt nun Eva darüber auf, dass in seiner Geburtsurkunde als Geschlecht noch weiblich angegeben ist. Da sie rechtlich keine Ehe eingehen können entschließen sie sich eine Eingetragenen Lebenspartnerschaft einzugehen. In der Partnerschaftsurkunde steht also:
Herr Ernst ... und Frau Eva ... begründen eine Lebenspartnerschaft und führen in Zukunft den gemeinsamen Familienname ...
Wäre Herr Ernst ein Cismann, dann würde es dem Paar versagt eine Eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen. Dies dürfen nur gleichgeschlechtliche Paare. Das Recht eine Eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen richtet sich weder nach dem Namen, der Identität oder sexuellen Orientierung. Entscheidend ist einzig und allein das in der Geburtsurkunde eingetragene Geschlecht.
Fall 2:
Die Partner:
Frau Brigitte ..., Transmann, bisher weder behandelt noch rechtliche Schritte im Sinne des TSG eingeleitet
Frau Eva ..., Cisfrau, fühlt lesbisch veranlagt, kennt die wahre Identität von Brigitte noch nicht
Brigitte und Eva begründen eine Eingetragene Lebenspartnerschaft. Nach einiger Zeit outet sich Brigitte gegenüber ihrer Partnerin und leitet medizinische und rechtliche Schritte nach § 8 TSG zur Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrages in der Geburtsurkunde ein. Das Verfahren von Brigitte, die nun Walter heißt, Geschlecht männlich, wird erfolgreich abgeschlossen. Eva und Walter lassen nun die Urkunde der Eingetragenen Lebenspartnerschaft entsprechend ändern. In der Urkunde steht nun:
Herr Walter ... und Frau Eva ... begründen eine Eingetragene Lebenspartnerschaft und führen in Zukunft den gemeinsamen Familiennamen ...
Eva, die zunächst glaubte mit "Brigitte" eine lesbische Partnerschaft zu führen, lebt nun also mit Walter in einer heterosexuellen Beziehung, die durch die Eingetragene Lebenspartnerschaft rechtlich abgesichert ist (die beiden könnten nun eigentlich auch heiraten, aber es gibt keine gesetzliche Grundlage dafür sie dazu zu zwingen).
In beiden Fällen wird folgendes deutlich:
Die Eingetragene Lebenspartnerschaft ist heterosexuellen Paaren verwehrt, für Walter und Eva ist sie aber ebenso zur Realität geworden wie für Ernst und Eva. Im Fall von Ernst und Eva ist es eine Eingetragene Lebenspartnerschaft zwischen Herrn Ernst und Frau Eva (amtlich beide Geschlecht weiblich), im zweiten Fall eine Eingetragene Lebenspartnerschaft zwischen Herr Walter, Geschlecht männlich und Frau Eva, Geschlecht weiblich. In der sozialen Wahrnehmung sind sie ein heterosexuelles Paar und fühlen selbst auch so.
Damit entsteht eine rechtlich und mit dem Grundgesetz nicht vereinbare Benachteiligung von Cisgendern, denen bei heterosexueller Veranlagung das Recht auf eine Eingetragene Lebenspartnerschaft verwehrt ist. Auch Transpaaren mit heterosexueller Orientierung ist dieses Recht verwehrt. Diese gesetzliche Ungleichbehandlung von reinen Cispaaren und reinen Transpaaren gegenüber gemischten Cis/Transpaaren ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und verstößt in jedem Fall gegen Art. 3 Abs. 3 GG.
4.1.3 Partnerschaft mit Intersexuellen
Aus Gründen der Übersichtlichkeit will ich es (bis auf das folgende extreme Beispiel) bei den bisher aufgeführten Fällen belassen. Sowohl bei den Beispielen zur Ehe, als auch denen zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft habe ich nur Fälle dargestellt, die sich auf die Geschlechter Cisfrau, Cismann, Transfrau und Transmann beschränken, also nur vier der von mir dargestellten zwölf Geschlechter einbeziehen. In den knapp 10 Jahren der Beratungsarbeit und den Jahren der Beobachtung und Wahrnehmung vorher, in denen ich selbst noch nicht geoutet war, sind mir natürlich auch Fälle bekannt geworden in denen Partnerschaften begründet wurden in denen intersexuelle Partner (in den verschiedensten Formen) beteiligt sind.
Ich denke da z.B. an den Fall eines Hermaphroditen, der nicht frühkindlich verstümmelt wurde, und in der Geburtsurkunde zunächst männlich zugewiesen wurde. In der pubertären Entwicklung übernahmen auch zunächst die männlichen Hormone eine führende Entwicklungsrolle (so dass es nicht zur pubertären Weiterentwicklung der Eierstöcke kam). Er (nennen wir ihn Klaus) heiratete und hat mit seiner Frau zwei eigene Kinder. Im Laufe von fast zwei Jahrzehnten setzte sich aber immer mehr die weibliche Identität (neben der auch vorhandenen männlichen) durch. Nun ließ Klaus sich die Hoden entfernen und begann mit einer Östrogenbehandlung. Schon bald setzte die körpereigene Östrogenproduktion ein und die Eierstöcke entwickelten sich zur vollen Reife. Als nächsten Schritt wollte "er" nun die gesetzliche Anerkennung seines Geschlechtes als Frau, zumindest dargestellt im zukünftigen Namen als Margitt.
Die Anwendung des TSG scheidet in diesem Fall aus. Dort ist festgelegt im § 1 Abs. 1:
"Die Vornamen einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht zugehörig empfindet ... sind auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern ..." Klaus ist nicht transsexuell geprägt und er fühlt sich nicht dem anderen Geschlecht, sondern dem anderen Teil seines Geschlechtes zugehörig und möchte dies auch in der sozialen Reflexion so leben.
Die Anwendung des § 8 TSG scheidet ebenfalls aus, da dort in Abs. 1 Satz 1-3 festgelegt ist:
1. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 müssen erfüllt sein
2. nicht verheiratet
3. dauerhaft fortpflanzungsunfähig
Alle drei Bedingungen sind für Margitt unannehmbar und mit dem Grundgesetz Art. 1, 2, 3 und 6 unvereinbar. Vor allem die Erfüllung der dritten Bedingung hätte fatale Folgen. Margitt müsste sich nun auch die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernen lassen und wäre dann lebenslang auf die Zuführung künstlicher Geschlechtshormone angewiesen, obwohl sie jetzt noch über eine gesunde Hormonproduktion verfügt.
Margitt (als Beispiel für alle Intersexuellen, für die das TSG ja nicht in Anwendung kommen kann und aus guten Gründen auch nicht kommen darf, denn es handelt sich bei Intersexualität immer um eine geschlechtliche Uneindeutigkeit oder Mehrdeutigkeit) versucht also den Weg über das Personenstandsgesetz (PStG). Sie stellt beim zuständigen Standesamt den Antrag ihren Geburtseintrag wegen Irrtums zu ändern und beruft sich auf § 20, 21, 22 i.V.m. § 45 und 47 PStG. Im allgemeinen Geschäftsverkehr würde man diesen Vorgang als "Änderung wegen versteckten Mangels" bezeichnen. Margitt wurde ja, trotz Vorhandenseins beider Geschlechter, willkürlich einem Geschlecht zugewiesen. Diese Willkürlichkeit wäre auch dann gegeben gewesen, wenn man sie als Kind eines der beiden Geschlechter operativ beraubt hätte.
Die Änderung des Geburtenbuches müsste also von Klaus in Margitt erfolgen und von Geschlecht männlich in weiblich. Der ursprüngliche Geburtseintrag war also falsch von Anfang an und muss deshalb berichtigt werden, was nicht durch einen Randvermerk geschieht, wie er bei Anwendung des TSG erfolgen würde. Die Änderung im Geburtenbuch von Margitt hätte aber Auswirkungen auf weitere Personenstandsbücher. Im Familienbuch der Eltern von Margitt müsste die Änderung übernommen werden, denn die Eltern haben nicht mehr einen Sohn Klaus sondern eine Tochter Margitt. Die nächste notwendige Änderung der Personenstandsbücher führt aber zu erheblichen Problemen. Es geht um das Heirats- und Familienbuch von Margitt und ihrer Frau, sowie die Geburtenbücher ihrer beiden Kinder. Es müsste nun im Heirats- und Familienbuch als Ehemann Margitt, Geschlecht weiblich eingetragen werden und in den Geburtenbüchern Margitt als Vater der gemeinsamen Kinder. Der dargestellte Fall ist über das Stadium der Suche nach einem rechtlich gangbaren Weg noch nicht hinausgekommen. Es wurden noch keine Anträge gestellt oder gerichtliche Verfahren eingeleitet. Amtlich heißt Margitt immer noch Klaus, lebt aber als real und sozial existierende Frau, weiterhin verheiratet, mit ihrer Frau zusammen. Auch wenn sich Margitt scheiden ließe gäbe es keine rechtlich einwandfreie Lösung.
In einem ähnlichen Fall, der jedoch kinderlos geblieben ist und das Paar trennungswillig war, ist folgendermaßen verfahren worden. Das Geburtenbuch des intersexuellen Partners wurde geändert, entsprechend das Familienbuch seiner Eltern. Die Ehe wurde annulliert, da der intersexuelle Partner akzeptierte, dass sich nach Eheschließung eben herausgestellt hat, dass beim Partner die Voraussetzung der Ehefähigkeit nicht gegeben waren. Beide Partner wurden also wieder in den Rechtsstand ledig versetzt und eine durch die Ehe zunächst juristisch entstandene Verwandtschaft aufgehoben. (Es wurde lediglich der Versorgungsausgleich vollzogen, darüber hinausgehende Verpflichtungen für die Zukunft sind aber ausgeschlossen.)
4.1.4 Partnerschaften - Zusammenfassung
Juristisch gibt es zwei Rechtsformen für Partnerschaften, die Ehe und die Eingetragene Lebenspartnerschaft. Beide gehen davon aus, dass es nur zwei Geschlechter gibt - Cisfrauen und Cismänner, oder wie es eben in der Geburtsurkunde heißt - weiblich oder männlich. Real existierend gibt es aber mindestens 12 verschiedene Geschlechter. Die manchmal vertretene Meinung, man könne das Problem lösen, wenn ein drittes Geschlecht zugelassen würde, löst die Probleme der kulturell und juristisch verengenden Wahrnehmung von Geschlecht nicht sondern schafft lediglich eine weitere Basis für Ausgrenzung und Diskriminierung, auch durch die Gesetzgebung.
Ein Lösungsansatz der, wie er für Partnerschaften, die sich unter den besonderen Schutz des Gesetzes stellen wollen, praktikabel sein könnte, wäre eine völlig neue juristische Formulierung von Partnerschaft, Ehe und Familie. Ein Staat lebt durch seine Kinder. Es ist also nicht nur ein Recht sondern die Pflicht aller staatlichen Gewalt dafür Sorge zu tragen, dass Menschen, die sich diesem Ziel verantwortlich stellen, der Rahmen gegeben wird in dem sie dieser "Pflichterfüllung" nachkommen können. In diesem Sinne wurde ja auch der Art. 6 des Grundgesetzes geschaffen. Aber auch dort wird eine Zweigeschlechtlichkeit der Menschen unterstellt und stillschweigend werden alle anderen Formen des Geschlechtes ausgegrenzt. In diesem Sinne ist, wie ich bereits vor über 5 Jahren publiziert habe, der Art. 3 GG in sich selbst verfassungswidrig. Dort heißt es im Abs. 1: "alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich", im Abs. 3: "niemand darf wegen seines Geschlechtes ... benachteiligt oder bevorzugt werden." und im Abs. 2 wird genau gegen diese Aussage verstoßen, denn wir lesen dort: " Männer und Frauen sind gleichberechtigt. ...". Gemeint sind damit ausschließlich Cismänner und Cisfrauen und so werden dadurch alle anderen Geschlechter vom Grundgesetz selbst benachteiligt, also diskriminiert.