17 | 05 | 2024

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zum Vortrag "Ärztliche Verordnung - fachärztliche Stellungnahme - Gutachten"

Fall 1

Ein Richter am Amtsgericht Dortmund beauftragt einen Psychologen/ Psychotherapeuten (der Name ist der Redaktion bekannt), für Frau "X", eine MzF-Transsexuelle, ein Gutachten zur Personenstandsänderung zu erstellen. Der rechtskräftige Beschluß zur Namensänderung ist älter als 3 Jahre.

Der Richter will die Fragen beantwortet haben, ob sich die Antragstellerin dem anderen Geschlecht zugehörig empfindet, sie seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang dieser Vorstellung entsprechend zu leben steht und sich dieses Zugehörigkeitsempfinden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird.

Die Beweise "nicht verheiratet, dauerhaft zeugungsunfähig und durch chirurgische Maßnahmen dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechtes weitgehend angepaßt" sind erbracht.

Soweit zu den Fakten des Falls.

Ausgelöst durch die Eingangs erwähnte Veröffentlichung und die Tatsache, daß Frau "X" sich einer geschlechtsanpassenden Operation "Mann-zu-Frau" unterzogen hat und beantragt den Personenstand vom Geburtseintrag männlich in weiblich ändern zu lassen, stellen sich dem Gutachter erstmals folgende Fragen:

Der Richter beauftragt, ein Gutachten für Frau "X" zu erstellen und fragt an, ob sie sich dem anderen Geschlecht zugehörig empfinden würde? Meint er nun, dem männlichen, nachdem sie sich hat operieren lassen- oder will er wissen, ob sich Frau "X" doch wirklich weiblich fühlt?

Der Richter fragt, ob das Empfinden mindestens drei Jahre besteht, obwohl er selbst vor über drei Jahren der Namensänderung zugestimmt hat. Kann er seine eigenen Entscheidungen nicht mehr lesen?

Der Gutachter nimmt sich das TSG vor und liest sich §8 und §9 mehrmals durch (bisher bestand für Ihn keine Veranlassung, dies zu tun) und blättert zurück auf die §§ 1, 2 u. 4. Er kommt zu dem Schluß, daß eine Begutachtung, wie sie der Richter fordert, aus dem Gesetz nicht ableitbar ist. Er entschließt sich zu folgender Antwort ans Gericht (sinngemäße Wiedergabe):

Meines Erachtens ist dem Antrag auf Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit stattzugeben. Eine erneute Begutachtung, weder durch mich als Drittgutachter, noch durch einen Viertgutachter, ist erforderlich oder vom Gesetz vorgesehen. Die Voraussetzungen sind bereits durch die rechtskräftige Namensänderung erfüllt. Die Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nach §8 TSG sind von der Antragstellerin nachgewiesen. Die durch den Verfahrens- fehler bisher entstandenen Kosten sind der Antragstellerin in keinem Fall in Rechnung zu stellen.

Hut ab vor einem Gutachter, der an die Antragstellerin und nicht an seine Einnahmen denkt! (Der Gutachter informierte mich von dem Fall und seinem Handeln.)

Fall 2

Von einer Ärztin, die seit über einem Jahrzehnt in der Behandlung und Begutachtung von Transsexuellen tätig ist, erreichte mich folgende Rückmeldung (sinngemäße Wiedergabe):

Sie habe sich um juristische Fragen bisher nie sonderlich gekümmert. Häufig wurde sie jedoch aufgefordert, Gutachten zur "Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit" zu erstellen, auch wenn die Namensänderung bereits rechtskräftig war. Sie halte eine nochmalige Begutachtung für zwingend erforderlich, unabhängig davon, ob dies nun das Gesetz wirklich vorsehe oder nicht. Schließlich könne sich das Zugehörigkeitsempfinden in der Zwischenzeit ja wieder geändert haben.

In einer persönlichen Aussprache machte sie folgende Überlegungen geltend:

In früheren Jahren habe sie dem Antrag zur "kleinen Lösung" häufig auch dann zugestimmt, wenn Restzweifel noch vorhanden waren. Sie wollte damit dem Antragsteller die Möglichkeit geben, sich in der angestrebten Geschlechtsrolle zu sozialisieren. Wenn dann der Antrag auf Änderung der Geschlechtszugehörigkeit gestellt wird, müsse ja überprüft werden, ob diese Sozialisierung auch gelungen sei. Es könne ja sein, daß der Antragsteller doch wieder in seinem "Geburtsgeschlecht" leben würde.

Häufig erlebe sie in jüngster Zeit, daß der "kleinen Lösung" zugestimmt wird, ohne die notwendigen Versuche einer therapeutischen Behandlung. Dies geschehe ihrer Meinung nach mit dem Gedanken, daß die Namensänderung ja noch keine "bleibenden Schäden" hervorruft und leicht rückgängig gemacht werden kann. Auf der anderen Seite beobachte sie jedoch, daß zunehmend geschlechtsangleichende Behandlungen schon dann gemacht werden, wenn der Name geändert ist, nicht erst dann, wenn ihre Notwendigkeit sicher nachgewiesen sei. In diesen Fällen kann nur eine 3. und 4. Begut- achtung den Antragsteller vor weiteren Schäden schützen. Wenn das Gesetz dies nicht vorsehe, dann müsse es eben im Gesetz festgeschrieben werden.

Was geht wohl im Kopf eines Gutachters vor, welches Mann/Frau-Bild hat er, wenn es zu solchen Überlegungen kommt?

© Helma Katrin Alter (1998)

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