Transsexuell - und nun?
Auszug aus den Unterlagen der Seminarreihe "Transsexuell - und nun?" für Ärzte, Psychologen und "Helfer" in Köln
Transsexualität, eine Normvariante mit Krankheitswert
(Versuch eines Leitfadens für "Helfer")
Inhalt:
Einleitung medizinischer Maßnahmen
Kostenübernahme und Leistungspflicht
Behandlungsanspruch und Umgang mit dem Patienten
Behandlungs- und Begutachtungsstandards
Einleitung medizinischer Maßnahmen
Hat ein Mensch das Gefühl, bzw. das feste innere Bewußtsein, er sei transsexuell und wendet er sich nun an einen Arzt, hoffentlich seines Vertrauens, dann ist es wichtig, wenn gewisse Grundsätze für die Einleitung medizinischer Maßnahmen bekannt sind.
Hormonbehandlung, Epilation, Brustamputation und Totaloperation sind geschlechtsangleichende Maßnahmen, die irreversible Veränderungen zur Folge haben. Sie dürfen deshalb erst eingeleitet/ durchgeführt werden, wenn die Diagnose feststeht- zumindest eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für die Diagnose "Transsexualität" gegeben ist.
Arzt und Patient müssen wissen und akzeptieren, daß es
a) das Phänomen der Transsexualität gibt, aber
b) nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht direkt zu diagnostizieren ist. Es bleibt also nur
c) der Weg des negativen Ausschlußverfahrens.
Zur Absicherung der Diagnose ist das Zusammenwirken der verschiedensten medizinischen Fachdisziplinen erforderlich. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit sollte deshalb von einem Arzt des Vertrauens, im Zusammenwirken mit dem Patienten erfolgen. Es kann sich um den Hausarzt handeln, einen Internisten, Gynäkologen oder Urologen. Der Arzt muß Erfahrung mit der Behandlung Transsexueller haben oder ein hohes Maß an Bereitschaft sich fach- und sachkundig zu machen. Kennt der Arzt den Patienten schon aus der Zeit, in der die Frage "Transsexualität" noch keine Rolle spielte, dann ist dies meist hilfreich, vorausgesetzt, er steht dem Phänomen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber.
Rein rechtliche Schritte sind durch das Gesetz geregelt, die Verfahren entsprechend vergleichbar, unabhängig von Ort und Person. Bei den notwendigen medizinischen und psychologischen Maßnahmen handelt es sich aber immer um Einzelfälle, die auch sehr individuell bearbeitet werden müssen. Die meiste Verwirrung entsteht immer dann, wenn gutachterliche Stellungnahmen zur Einleitung und Durchführung juristischer Schritte mit der Diagnose und Verordnung von medizinischen Maßnahmen verwechselt werden. Ein vom Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten kann in den meisten Fällen nicht zur Einleitung medizinischer Maßnahmen herangezogen werden, was oft Frust bei den Betroffenen auslöst. Umgekehrt ist es aber möglich, daß der Arzt, der die Einleitung geschlechtsangleichender Maßnahmen verordnet auch das Gutachten für die rechtlichen Schritte schreibt. Erfüllt dieses Gutachten die von Gesetz vorgeschriebene Form, so kann der Antrag auf Anerkennung im Sinne des TSG §4 vom Gericht kaum abgewiesen werden.
Vor medizinischen Maßnahmen wird in der Regel eine psychologische Untersuchung und eine psychotherapeutische Behandlung liegen. Wird diese von einem kassenärztlich zugelassenen Arzt oder Psychologen durchgeführt, so regelt dieser die Kostenübernahme direkt mit der Kasse. Eine Therapie kann nicht normierte Vorschrift oder Selbstzweck sein. In den ersten 2-5 Gesprächseinheiten muß abgeklärt werden ob Ansatzpunkte für die Therapie gegeben sind und ihre individuelle Notwendigkeit.
Kostenübernahme und Leistungspflicht
Hormonbehandlung, Epilation und Brustamputation werden verordnet, wenn die Notwendigkeit zu diesem Zeitpunkt zweifelsfrei feststeht. Die Kasse kann die entstehenden Kosten übernehmen oder den medizinischen Dienst zur Überprüfung ihrer Leistungspflicht einschalten. Der MDK kann nach Aktenlage entscheiden, sich selbst durch persönliches Gespräch ein Bild machen, oder die Stellungnahme eines mit der Materie vertrauten Arztes fordern. Für den Fall der zusätzlichen Stellnungnahme schlägt er dem Patienten einen oder zwei Fachärzte für medizinische Psychotherapie vor. Der MDK ist zu diesen Vorschlägen verpflichtet, da nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Patient entsprechende Fachärzte kennt. Außerdem muß der MDK mit den Vorschlägen im Vorfeld schon sicher stellen, daß diese Ärzte in einer für den Patienten zumutbaren Wartezeit zur Verfügung stellen. Die freie Arztwahl wird dadurch nicht eingeschränkt. Der Patient kann auch zu einem anderen Facharzt seines Vertrauens gehen, von dem er weiß, daß dieser über die nötige Erfahrung verfügt. Hat sich der Patient für einen Facharzt entschieden, so erteilt der MDK den Auftrag zur Stellungnahme und sichert damit dem Arzt die Abrechnungsmöglichkeit für seine Leistung.
Nach Vorliegen der Stellungnahme gibt der MDK eine Empfehlung zur Kostenübernahme oder Ablehnung an die Kasse ab. Diese wird sich zwar in der Regel an diese Empfehlung halten, ist aber nicht daran gebunden. Wird eine Kostenübernahme empfohlen und lehnt die Kasse trotzdem ab, kann der Rechtsweg über das Sozialgericht beschritten werden (aber erst dann). Beruft das Gericht nun seinerseits Gutachter, so sind diese für den Patienten bindend (es sei denn, es liegen sehr wichtige Ablehnungsgründe, z.B. wegen Befangenheit, vor).
Die Leistungspflicht der Kasse setzt in keinem Fall vor der medizinischen Verordnung einer Maßnahme ein. Wird die verordnete Leistung nicht von einem Kassenarzt erbracht (er kennt den Leistungskatalog und rechnet mit der Kasse ab, bzw. holt sich selbst die nötige Kostenzusage) sondern privat, von einem "Außenseiter", einer Kosmetikerin oder im Ausland, muß der Patient selbst zunächst einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Geht der Patient vorher schon in Vorleistung, so besteht kein Rechtsanspruch auf Rückerstattung, sondern bestenfalls die Chance auf eine Kulanzlösung nach erfolgter Kostenzusage.
Die Entfernung gesunder Eierstöcke oder gesunder Hoden ist eine in Deutschland verbotene Kastration. Gerade Frau zu Mann Transsexuelle machen immer wieder die Erfahrung, daß zwar der Gynäkologe eine Totaloperation verordnet, die Eierstöcke aber nicht entfernt werden. Dieser Fall wird immer dann eintreten, wenn eine andere Diagnose zur Totaloperation führt, die Eierstöcke aber gesund sind, bzw. von ihnen keine Gesundheitsgefahr ausgeht. Erst wenn die Diagnose "Transsexualität" eindeutig feststeht ist es gesetzlich zulässig, daß dem "neuen Mann" die Eierstöcke mit entfernt werden, der "neuen Frau" entsprechend die Hoden.
Behandlungsanspruch und Umgang mit dem Patienten
Die mit der Behandlung von Transsexuellen befaßten Ärzte sollten sich stets bewußt sein, daß es wohl kaum eine "Krankheit" gibt, bei der das Vertrauen zwischen Arzt und Patient so wichtig ist wie bei Transsexuellen. Die Betroffenen stehen im Widerspruch zu ihrer eigenen Erziehung und ihrem Gefühl, ihren Wünschen und den Reflexionen, die sie aus ihrer Umwelt bekommen. Oft fehlt ihnen sogar das Vertrauen in sich selbst. Wird dieser Umstand von Ärzten, aber auch den Sachbearbeitern der Krankenkassen nicht ausreichend berücksichtigt, dann kommt es oft zu völlig unnötigen, für den Patienten sogar dramatischen Spannungen. Selbst gut gemeinte Hilfe ist dann zum Scheitern verurteilt.
Eine Behandlung ohne begleitende Sozialisierungsbemühungen und Integrationsschritte ist in den wenigsten Fällen ausreichend oder von Erfolg gekrönt. Wenn der Patient nicht von sich aus erfolgreich tätig, zumindest bemüht ist, dann darf der Arzt dies nicht außer Acht lassen. Bei fehlender Einsicht sind Druck und Pseudozwangsmaßnahmen jedoch völlig wertlos, meist schädlich. Der "Alltagstest" ist eine Chance. Wird er als Pflicht verordnet oder verstanden, dann ist er im Prinzip wertlos und nichts als Schikane. Gelingt es dem Arzt nicht die Bereitschaft im Patienten zu wecken, die Wechselwirkung zwischen medizinischer Behandlung und sozialer Integration in der angestrebten Geschlechtsrolle zu erkennen und zu akzeptieren, so sollte der Arzt sich selbst, seine Haltung zu Transsexualität und seine Ausstrahlung auf den Patienten überprüfen. Wenn ein Arzt die Transsexualität aus ethischen Gründen ablehnt, aus Verstandesgründen aber glaubt, trotzdem mit dem Patienten arbeiten zu können, handelt er in höchstem Maße unverantwortlich.
Analog gelten diese Aussagen auch für die zuständigen Sachbearbeiter bei Krankenkassen. Der Satz
"Es kann ja jeder nach seiner Façon glücklich werden, ich halte mich einfach an meine Vorschriften"
zeugt von einem hohen Maß von Ablehnung und Ignoranz. Um solchen Zuständen und Belastungen für den Versicherten vorzubeugen, sollte in diesen Fällen in jeder Kasse, unabhängig von der sonstigen Zuordnung für die Bearbeitung von Leistungsansprüchen, ein fester Sachbearbeiter sach- und fachkundig gemacht werden. Für die Aufklärung der Mitarbeiter auf der einen Seite, aber auch die Aufklärung des Patienten über Verfahrensschritte, sollte grundsätzlich der Abteilungsleiter/ Zweigstellenleiter zuständig sein.
Die Verantwortlichen bei den Krankenkassen müssen sich dessen bewußt sein, daß der Patient zwar bei fehlendem Vertrauen den Arzt wechseln kann, nicht aber die Kasse. Zwangsläufig fühlt er sich ihr ausgeliefert. Die Kasse ist aber nicht Sozial- Gegner, sie soll Sozial- Partner sein.
Transsexuelle sind auf Grund ihrer, durch Erziehung und gesellschaftliche Reflexion gestörten, zumindest beeinträchtigten Entwicklung nicht immer in der Lage mit Ärzten, Ämtern und Behörden, also auch Kassen, in der von diesen gewünschten Form umzugehen. Umso mehr muß es Aufgabe der Menschen dort sein, sich sorgfältig zu informieren und menschlich, nicht nur formalistisch einwandfrei mit den Betroffenen umzugehen. Eine Verhärtung von Fronten, unausgesprochenes Abtun als "Spinnerei" oder "sowas gibt es nicht", "andere Menschen haben auch Probleme" führt neben der Erhöhung von Leidensdruck und der Verschwendung von Zeit auch zu einer, von der Sozialgemeinschaft nicht hinnehmbaren Verschwendung von Geldern. (Viel zu oft war eine solche Haltung auch schon Auslöser von Suizid).
Behandlungs- und Begutachtungsstandards
In den 80er Jahren wurden, unter anderem auch von Prof. Sigusch, für die Begutachtung und Behandlung von Transsexuellen Leitlinien und Standards entwickelt. Obwohl sich vieles davon schon bald als untauglich, ja sogar als falsch herausgestellt hat und mit Beginn der 90er Jahre revidiert wurde, geistern diese Leitlinien noch immer in den Köpfen vieler Fachleute herum. Auf der anderen Seite haben sich bestimmte Verfahren und Wege so eingeschliffen und verfestigt, daß selbst bei Richtern zu beobachten ist, daß Versuche der Standardisierung zu Gewohnheiten geführt haben, die wie Vorschriften oder Gesetze gehandhabt werden. Ich weise nur darauf hin, daß es immer noch Leute gibt, die meinen der "einjährige Alltagstest" wäre Voraussetzung für eine Hormonbehandlung oder eine Kostenübernahme für die Epilation würde voraussetzen, daß die Personenstandsänderung schon rechtskräftig ist. Der eklatante Verstoß gegen die Menschenwürde Transsexueller wird manchen Ärzten und Richtern dabei gar nicht bewußt, was für die Betroffenen sehr schlimm ist. Wenn "Helfer" meinen, der Transsexuelle müßte solche Schwierigkeiten überwinden, um den Beweis zu erbringen, daß er tatsächlich transsexuell ist, zeugt dies von einem hohen Maß an Menschenverachtung.
Auf der anderen Seite haben Transsexuelle aber auch den Wunsch nach Standards und die Einsicht, daß diese ihnen helfen können.
Für die Begutachtung muß klar sein, daß eine ausführliche Anamnese (Klärung der medizinischen Vorgeschichte, das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet: Erinnerung; Anm. von Webm@us)
erforderlich ist. Es ist auch klar, daß neurotische und psychotische Erkrankungen ausgeschlossen werden müssen, soweit sie das Erscheinungsbild einer Pseudotranssexualität zur Folge haben könnten. Sie müssen vor einer abschließenden Begutachtung behandelt werden, denn auch Neurotiker oder Psychotiker können transsexuell sein. Neurotische und/ oder psychotische Störungen die durch die Wechselwirkung der Transsexualität und gesellschaftlichen Reflexion entstanden sind werden sicher nicht behandelt werden können, wenn der Patient gleichzeitig das Gefühl hat mit seinem Wunsch nach dem angestrebten Geschlecht nicht ernst genommen zu werden. Es muß in solchen Fällen Aufgabe des Gutachters sein dem Patienten klar zu machen, warum eine sichere Begutachtung z.Z. nicht möglich ist und er sollte dem Betroffenen behilflich sein, einen geeigneten Psychotherapeuten/ Psychologen zur begleitenden Therapie zu finden.
Zu den Standards der Begutachtung gehört auch, daß die nötigen medizinischen Befunde beigebracht werden. Die Feststellung der allgemeinen körperlichen Gesundheit und des Hormonspiegels gehören ebenso dazu, wie der urologische bzw. gynäkologische Befund. Liegen diese nicht vor, so sollte der Gutachter von sich aus darauf aufmerksam machen und nicht erst nach einiger Zeit sagen "wenn Sie nun noch dies und jenes beibringen, kann ich das Gutachten schreiben". Der Patient ist Partner und nicht Objekt des Gutachters. Er muß das auch deutlich spüren können.
Für die behandelnden Ärzte muß gelten, daß sich die Standards der Behandlung am Wunsch des Patienten, also dem Individualfall, zu orientieren haben. Scheinbar irreale Wünsche einfach abzutun ist dabei ebenso falsch und gefährlich wie das unreflektiere Wecken von Wünschen, was häufig im operativen Bereich zu beobachten ist.
Standard der Behandlung muß ein interdisziplinäres Vorgehen sein. Mediziner, Psychologe und Soziologe müssen hier, mit dem Patienten zusammenwirken. Die Schritte müssen, am Einzelfall orientiert, dabei so abgestimmt werden, daß der Transsexuelle ein Höchstmaß an Entlastung erfährt um möglichst tragfähig in die angestrebte Geschlechtsrolle hineinzuwachsen.
Vorhandene soziale Sicherheit darf dabei in keinem Fall gefährdet werden!
Dies kann z.B. im Einzelfall dazu führen, daß eine Epilation viel wichtiger ist als eine psychologische oder hormonelle Behandlung, selbst dann, wenn die Diagnose "Transsexualität" noch nicht 100%ig feststeht.
Darüber hinaus müssen organisatorische Standards geschaffen werden. Beratungseinrichtungen, Betreuungsorganisationen und Selbsthilfegruppen müssen diese Standards kennen und laufend über Veränderungen informiert sein. Bei allen Krankenkassen müssen den Transsexuellen offen Listen zur Verfügung stehen, aus denen alle Ärzte, Psychologen und Gutachter hervorgehen, die mit der Problematik der Transsexualität vertraut sind und bereit sind zu behandeln. Diese Infolisten sollten über den direkten regionalen Bereich hinaus gehen, da unter Umständen der Weg zu einem Arzt der Nachbarregion näher ist als dem nächsten innerhalb einer Region (als Region denke ich hier an Regierungsbezirke).
Die Krankenkassen sollten Informationsmaterial über Behandlungsmethoden und Behandlungsrisiken zur Patientenaufklärung vorhalten oder kurzfristig von zentralen Stellen beschaffen können. Aus diesem Material muß auch die notwendige Mitwirkungspflicht des Patienten konkretisiert hervorgehen. Ein allgemeiner Hinweis ist zwar wichtig, für sich alleine aber untauglich.
Bei den Krankenkassen muß eine Liste der geeigneten Beratungs-, Betreuungs- und Selbsthilfeeinrichtungen vorliegen, die im Einzugsbereich des Patienten liegen. Es hat sich in vielen Bereichen des Gesundheitswesens bereits bestätigt, daß ihre Inanspruchnahme sehr oft erhebliche Kosteneinsparungen bringen kann und zur allgemeinen Stabilität von Patienten beiträgt. Dies gilt auch für Transsexuelle, deren erfolgreiche Behandlung ein hohes Maß an Stabilität voraussetzt, das meist nicht gegeben ist.
Krankenkassen sollten über alle Möglichkeiten der Weiterbildung für Ärzte und "Helfer", auch Sachbearbeiter, informiert sein und zwar über den eigenen Kassenbereich hinaus. Nur so kann eine qualitativ hochwertige und auf dem neusten Stand der medizinischen Wissenschaft basierende Behandlung und Betreuung gewährleistet werden, was in jedem Fall zu erheblichen direkten und indirekten Kosteneinsparungen führen wird.
Diese organisatorischen Standards sind auf alle Gesundheitsämter, Beratungs- und Betreuungseinrichtungen zu übertragen. Die Pflicht zum gegenseitigen Informationsaustausch sollte festgeschrieben werden. Selbsthilfeeinrichtungen, die ihren Teilnehmern diese Informationsstandards vorenthalten sind aus der allgemeinen Liste der Selbsthilfeeinrichtungen zu streichen. Gerade diese letzte Aussage mag zwar sehr hart klingen, ist aber notwendig. Erhebliche Berührungsängste, die Angst vor einer Bevormundung, Probleme der Selbstfindung und negative Erfahrungen einzelner, die in der Gruppe unter Umständen dominant auftreten, haben in den letzten Jahren immer wieder dazu geführt, daß das durch die eigene Transsexualität verschobene Weltbild nun wieder verschoben wird. Erst die Öffnung von Gruppen nach allen Seiten, zu anderen Gruppen, Beratungs- und Betreuungseinrichtungen, sowie zu Partnern des Sozial- und Gesundheitswesens kann eine optimierte Hilfe für Betroffene bringen.
Abschlußbemerkungen
Manche Gutachter, Sexualwissenschaftler und Ärzte in medizinischen Diensten versuchen "standards of care" zu entwickeln. Bei allem guten Willen, der sicher dahinter steckt, führt eine gewisse Exklusivität dieser Arbeitskreise und/ oder Abgrenzung zu dem Eindruck, daß "Pfründe" verteilt werden und über die Köpfe der Betroffenen entschieden wird (wir wissen schon, was gut für euch ist...). In den meisten Fällen steckt dahinter jedoch die Unsicherheit, ein Phänomen, die Transsexualität, nicht erklären zu können. Natürlich ist Forschung wichtig. Sie darf aber weder zu vorschnellen Lösungen führen, noch die Behandlung der derzeit betroffenen Menschen verzögern. Ärzte und Psychologen, die sich an der Forschung beteiligen, dürfen den Betroffenen in keinem Fall darüber im Unklaren lassen, welche Maßnahmen der Forschung dienen und welche der Begutachtung oder Behandlung. Der Patient muß das Recht haben, Maßnahmen der Forschung zurückzuweisen, wenn diese den persönlichen Prozeß zeitlich verzögern oder er sich dadurch seelisch verunsichert fühlt.
Wenn Transsexuelle in bestimmten Phasen ihrer Entwicklung, auch bei Gesprächen mit Medizinern, Gutachtern oder Sachbearbeitern der Krankenkassen um die Zulassung einer Begleitperson ihres Vertrauens bitten, dann sollte dieser Wunsch nicht gegen sie verwendet werden und ihm sollte, wo immer möglich, stattgegeben werden. Transsexuelle haben es in ihrer gesellschaftlichen Situation meist so schwer, daß sie sich alleine zwangsläufig unsicher fühlen. Hier kann ein neutraler Beobachter ihres Vertrauens oft Wunder wirken. In fast allen Fällen hat der Wunsch nach Begleitung nichts damit zu tun, daß sich der Betroffene seiner eigenen Transsexualität nicht sicher wäre. Wird ihm das unterstellt, ist der Erfolg einer Maßnahme mit großer Wahrscheinlichkeit bereits unmöglich.
Der hier zusammengestellte Leitfaden kann weder ein Lehrbuch zum Thema, noch eine Weiterbildungsmaßnahme ersetzen. Er soll aber in knapper Form darauf hinweisen, welche Lösungsansätze sich bewährt haben und auf dem Boden der gesetzlichen Grundlagen stehen, wo aus Gewohnheit fälschlicherweise "Recht" geworden ist und welche Forderungen noch zu erfüllen sind. Wer als Fachmann aber bereit ist, unabhängig von seiner eigenen ethischen Erziehung, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und als Ausgangspunkt das Wissen des Betroffenen über seine Transsexualität ernst zu nehmen, wird kaum mit seinem Vorgehen gegen die Menschenwürde des Betroffenen verstoßen. Sollte sich herausstellen, daß der Betroffene nicht transsexuell ist, so wird er dies selbst erkennen - ist der Betroffene noch nicht in der Lage, bestimmte Schritte in seiner Entwicklung zu gehen, so wird er Zeit für die Persönlichkeitsbildung gerne in Begleitung des Arztes nutzen.
Ich hoffe, wir kommen möglichst bald zu diesem Zustand in der Arbeit mit Transsexuellen - partnerschaftliche Zusammenarbeit - Offenheit - gegenseitige Akzeptanz der Probleme von "Helfern" und Betroffenen - gemeinsames Suchen nach allgemeinen und individuellen Lösungen.
© Helma Katrin Alter (1998)