Musterbriefe
Argumentationshilfe gegenüber (früheren) Arbeitgebern wegen Änderungen von Zeugnissen
(Brief an Arbeitgeber xyz)
Betr.: Änderung von Arbeitszeugnissen vor einer gesetzlichen Namensänderung nach TSG
Sehr geehrte Mitarbeitend der <Firma>,
wie ich Ihrem Anschreiben entnehme besteht bei Ihnen Rechtsunsicherheit darüber, ob Sie für Ihre*n früheren Arbeitnehmer*in ein Zeugnis auf den neuen Namen, und entsprechend auch die neue Anrede, ändern dürfen, bevor eine gesetzliche Änderung rechtswirksam ist. Ich kann Ihre Bedenken verstehen, da ja damit auch der (unwahrscheinliche) Versuch unternommen werden könnte, sich Verpflichtungen Dritten gegenüber zu entziehen, oder sich eine neue Identität zu schaffen, um eine Straftat zu verschleiern oder vorzubereiten.
Aus den mir zur Verfügung gestellten Unterlagen geht hervor, dass Herr/Frau/keine Angabe ......................... den sozialen Wechsel vollzogen hat und in den Arbeitsprozess eingegliedert ist, bzw. die Eingliederung kurz bevor steht. In diesem Fall sind konkurrierende Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen:
Im Fall eines Arbeitszeugnisses steht das Rechtsgut der wahrheitsgemäßen Beurkundung dem Rechtsgut auf ein selbst bestimmtes, menschenwürdiges Leben und dem Schutz vor Diskriminierung im Fall einer Transidentität entgegen.
Der Gesetzgeber sieht vor, neben der Möglichkeit die Geburtsurkunde rückwirkend wegen offensichtlichen Irrtums zu ändern (Intersexualität), diese Änderung auch bei einer vorliegenden Transsexualität vorzunehmen (PStG § 47 u. 61 in Verbindung mit TSG §1 u. 8). Diese Verfahren benötigen erhebliche Zeit (1-3 Jahre) und können dadurch zu unzumutbaren Belastungen für die Allgemeinheit und die betroffene Person führen. Häufig steht die Verfahrensdauer dem Erhalt oder der Wiedererlangung der sozialen Sicherheit im Wege.
Für die Übergangszeit, d.h. noch gesetzlich alte Beurkundung aber bereits gelebte neue Identität, hat sich unter Ausnutzung eines gewissen rechtsfreien Raums, bzw. des Grundsatzes „Was nicht verboten ist und keinem Dritten schadet, darf vom Einzelnen unter Berufung auf die im Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte ausgenutzt werden“, folgendes Verfahren bewährt:
Ärzte bescheinigen dem „Patienten“ in einem Ersatzdokument, eventuell mit Lichtbild, der Person, deren Erscheinungsbild vom amtlich beglaubigten Status abweicht, dass es sich um den/die Ausweisinhaber*in handelt.
Krankenkassen stellen eine der gelebten Identität entsprechende Versicherungskarte aus.
Arbeitgeber melden ihre*n Mitarbeiter*in bei der Rentenversicherung entsprechend an oder um. Es wird dann ein entsprechender Sozialversicherungsausweis ausgestellt. Bei einem späteren anderen Arbeitgeber besteht dann kein Offenbarungsbedarf mehr.
Das Arbeitsamt unterscheidet, bei gleicher Stammnummer, in den amtlichen Teil der Leistungsabteilung und entsprechend der Identität bei der Arbeitsberatung, Reha oder Vermittlung.
Schulen, Ausbildungsbetriebe, Arbeitgeber stellen ein Zeugnis entsprechend der gelebten Identität aus, machen lediglich im internen Teil der Akte einen Vermerk, dass die Änderung unter Vorbehalt geschieht, bis später die gerichtliche Entscheidung nachgewiesen ist.
Diese Liste könnte noch durch andere Beispiele erweitert werden. Ich denke aber, dass Sie daraus selbst ableiten können, dass eine Änderung der Arbeitszeugnisse im vorliegenden Fall keine Falschbeurkundung ist, sondern den/die Antragsteller*in vor Diskriminierung schützt und der sozialen Stabilität dient.
Eine spätere, rechtskräftige Entscheidung zur Namensänderung nach TSG, wirkt zurück bis auf den Zeitpunkt der Geburt. Es besteht sogar, verankert im Gesetz TSG §5, ein ausdrückliches Offenbarungsverbot durch Behörden. Die früheren Namen müssen aus allen Akten so getilgt werden, dass sie nicht mehr ausforschbar sind. Entsprechend besteht dann auch ein gesetzlicher Anspruch, dass alle Zeugnisse und Bescheinigungen geändert werden. Die von Ihnen gewünschte Änderung zum jetzigen Zeitpunkt ist eine nicht einklagbare, freiwillige Vorwegnahme, die aber niemandem Schaden zufügt. Wohl aber kann Schaden entstehen, wenn sie nicht vollzogen wird.
Die Notwendigkeit dieser Maßnahmen ergibt sich aus der Tatsache, dass die alte soziale Rolle nicht mehr gelebt und nach außen vertreten werden kann, u.U. auch wegen der Wirkung von bereits erfolgten medizinischen Maßnahmen. Ein Auftreten in der neuen Rolle ist, insbesondere, aber nicht nur, bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz, ohne die entsprechenden Papiere zumindest unverhältnismäßig erschwert, wenn diese ganz oder teilweise noch auf den alten Namen lauten. Im Extremfall kann dies dazu führen, dass vollständig arbeitsfähige und -willige Menschen auf Sozialhilfe o.ä. Leistungen angewiesen sind.
In der Hoffnung Ihre Anfrage ausreichend beantwortet zu haben verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
.........
Mit den gleichen Argumenten kann beim Arbeitsamt erreicht werden, dass man bereits vor einer gesetzlichen Änderung entsprechend dem gelebten Geschlecht behandelt, bzw. geführt wird.
Krankenkassen stellen bereits vorab neue Karten aus.
Das Sozialamt berücksichtigt die Belange von Transidenten entsprechend, vor allem wenn man den Sachbearbeitern hilft, die eigene Situation zu begreifen.
Niemand gibt gerne Geld aus, wenn es bessere Lösungen gibt. Die beste Lösung ist aber immer noch die Erreichung von sozialer Stabilität, bzw. ihr Erhalt.