Urteile / Leitsätze zu § 1 TSG
Bundesverfassungsgericht kippt faktisches Heiratsverbot in §7
Das Bundesverfassungsgericht entschied am 6.12.2005, daß das faktische Heiratsverbot des §7 des TSGs verfassungswiedrig ist. Das ganze Urteil ist hier zu finden, die Pressemitteilung hier.
L e i t s a t z
zum Beschluss des Ersten Senats vom 6. Dezember 2005
- 1 BvL 3/03 -
§ 7 Abs. 1 Nr. 3 des Transsexuellengesetzes verletzt das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Namensrecht eines homosexuell orientierten Transsexuellen sowie sein Recht auf Schutz seiner Intimsphäre, solange ihm eine rechtlich gesicherte Partnerschaft nicht ohne Verlust des geänderten, seinem empfundenen Geschlecht entsprechenden Vornamens eröffnet ist.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvL 3/03 -
Interessant ist allerdings auch zu lesen, wer welche Stellungnahmen zu diesem Verfahren abgab - weder das Innenministerium, welches vor einiger Zeit etliche Transsexuellen- und Transgender-Verbände zu Stellungnahmen aufforderte (diese aber anscheinend nicht las) noch der Deutsche Familiengerichtstag fanden, daß diese Regelung unzumutbar wäre - im Gegenteil, sonst sähe da ja noch was nach einer "homosexuellen Ehe" aus. Huch! Was zählt da das Recht des Einzelnen auf ein selbstbestimmtes Leben? Auch andere Aussagen dieser beiden Parteien sind ähnlich unappetitlich. (Absätze 32-36)
Die sich lange Zeit nicht unbedingt auf der Höhe der Zeit befindliche Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (Standards of Care) hingegen, ebenso wie der LSVD und die Huk, der Sonntags-Club und natürlich die dgti (siehe hier) befanden die entsprechende Regelung als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Dieser Ansicht schloß sich das Bundesverfassungsgericht vollständig an.
Bemerkenswert ist auch, daß das Gericht konsequent eine Beziehung zwischen einer Transfrau, unabhängig von ihrem rechtlichen und medizinischen Status, und einer anderen Frau, als homosexuell bezeichnet - eine an und für sich selbstverständliche Trivialität, der sich viele "Wissenschafter" und "Experten" noch nicht anschließen konnten. Definitiv stellt das Gericht auch fest: "Aus der sexuellen Orientierung eines Menschen kann demnach nicht auf seine empfundene Geschlechtlichkeit geschlossen werden." (54) Ein Satz, den sich einige Experten immer noch dringend hinter die Ohren schreiben müssten, ebenso wie den Satz "Die dem Transsexuellengesetz zugrunde liegenden Annahmen über die Transsexualität haben sich inzwischen in wesentlichen Punkten als wissenschaftlich nicht mehr haltbar erwiesen." (63)
Mindestens ebenso wichtig jedoch sind die Ausführungen des Gerichts, die sich mit den Voraussetzungen des §8 befassen - weder sei die Vornamensänderung, wie ursprünglich gedacht, nur eine üblicherweise zeitlich befristete Zwischenlösung, noch sei davon auszugehen, daß eine genitalangleichende Operation grundsätzlich Teil des Geschlechtsrollenwechsels sei. (65f.) Zitat: "Für eine unterschiedliche personenstandsrechtliche Behandlung von Transsexuellen mit und ohne Geschlechtsumwandlung sieht die Fachliteratur deshalb keine haltbaren Gründe mehr." Diese Aussagen dürften weit über den hier verhandelten Fall hinaus Sprengkraft entfalten.
Oberlandesgericht Frankfurt/M
9. Januar 1981 AZ: 3 Ws 966/80
Transsexualität eines Strafgefangenen
Transsexualität kann einen Anspruch auf ärztliche Behandlung begründen. Ein Strafgefangener, der behauptet, transsexuell veranlagt zu sein, kann im allgemeinen jedoch nicht verlangen, mit dem Ziel eines Wechsels der Geschlechtsrolle behandelt zu werden.
Die beiden folgenden Urteile betreffen zwar den Bereich "Arbeitsrecht", jedoch eben im Zusammenhang mit Entscheidungen, bzw fehlenden Entscheidungen nach TSG.
Landesarbeitsgericht Berlin, 10. Kammer
Oktober 1990 AZ: 10 Sa 57/90 und 10 Sa 64/90
Anspruch eines Transsexuellen auf Aushändigung von Dienstkleidung des anderen Geschlechts
Ein Transsexueller kann schon vor Änderung seines Vornamens und vor Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit nach dem Transsexuellengesetz Anspruch auf Aushändigung von Dienstkleidung des anderen Geschlechts haben.
Bundesarbeitsgericht, 2. Senat
Februar 1991 AZ: 2 AZR 449/90
Anfechtung des Arbeitsvertrages - arglistige Täuschung
Gibt eine transsexuelle Person, deren Geschlechtsumwandlung nach §§ 8, 10 TSG noch nicht erfolgt ist, bei Einstellungsverhandlungen ihr wahres Geschlecht ungefragt nicht an, so liegt darin im Hinblick auf den Schutzzweck des Transsexuellengesetzes keine rechtswidrige arglistige Täuschung (§ 123 BGB). Es kann jedoch eine Anfechtung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Person (§ 119 Abs. 2 BGB) in Betracht kommen.