20 | 05 | 2024

Kündigung wegen beabsichtigter Geschlechtsangleichung unzulässig  Geschlechtsumwandlung


Ein Geschäftsführer einer englischen Schule in Cornwall teilte seinem Arbeitgeber mit, dass er eine Geschlechtsangleichung zur Frau durchführen lassen wolle und erhielt daruf die Kündigung.

Er klagte dagegen vor dem zuständigen Industrial Tribunal (Arbeitsgericht), das dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg die Frage vorlegte, ob die Richtlinie Nr. 76/ 207/ EWG vom 9.2.1976 (Richtlinie zur Verwirklichung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen) auch auf diesen Sachverhalt einer beabsichtigten oder vollzogenen Geschlechtangleichung anwendbar sei.

Der Europäische Gerichtshof hat dies in seinem Urteil vom 30.4.1996 (Aktenzeichen C-13/94) bejaht. Denn wenn eine Person deshalb entlassen werde, werde sie im Vergleich zu Angehörigen des Geschlechts, dem sie vor dieser Operation zugerechnet worden sei, schlechter behandelt. Eine solche Diskriminierung beruhe daher hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, auf dem Geschlecht der Betroffenen. Die Entlassung sei daher mit Artikel 5 Abs. 1 der genannten Richtlinie unvereinbar gewesen.

So klar und eindeutig hatte dies bis dahin noch kein deutsches Arbeitsgericht ausgesprochen. Da die EG im Arbeitsrecht eine eigene und dem nationalen Arbeitsrecht übergeordnete Regelkompetenz hat, können sich Transsexuelle gegenüber dem Arbeitgeber und vor deutschen Arbeitsgerichten uneingeschränkt auf dieses Urteil berufen. Eine mit dieser Richtlinie Nr. 76/206/EWG unvereinbare Kündigung ist nicht nur sozial ungerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes, sondern wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig.

Eine solche Kündigung kann (und sollte) daher auch dann angegriffen werden, wenn die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes (mehr als 5 Arbeitnehmer im Betrieb; das Arbeitsverhältnis dauerte länger als 6 Monate) nicht vorliegen. Die Klage sollte zur Vermeidung von Rechtsnachteilen innerhalb der Frist des Kündigungsschutzgesetzes (drei Wochen ab Zugang der Kündigung) erhoben werden; die Klageerhebung ist jedoch auch nach Ablauf der Frist noch zulässig. Transsexuelle sollten auch dann klagen, wenn der Arbeitgeber einen anderen Kündigungsgrund vorschiebt, denn der Arbeitgeber muss seinen Kündigungsgrund vor Gericht beweisen!

© dgti 1998

 

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