Aufruf an Eltern und junge Transgender
(Kinder und Jugendliche, die noch vor der Pubertät oder vor deren Ende stehen und sich nicht dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig empfinden)
Seit Veröffentlichung des Sachbuches "Gleiche Chancen für alle" Anfang 2000, in dem ein Kapitel " Eltern und Kinder" das Thema gegengeschlechtliches Verhalten / transidentisches Verhalten von mir behandelt wurde, spätestens aber durch die Berichte über die Behandlung von Kindern, die noch nicht die Pubertät erreicht haben, in den Medien seit Anfang 2004 ist es auch für die Öffentlichkeit deutlich geworden, dass es Handlungsbedarf gibt. Ich selbst berate und begleite bereits seit Ende 1995 Eltern und Kinder, bei denen das " Problem" einer gegengeschlechtlichen Entwicklung vorliegt.
Immer wieder wurde auch die verzweifelte Frage gestellt, ob es nicht Gruppen gäbe, in denen sich Eltern oder ihre Kinder austauschen können, so wie dies schon seit fast 30 Jahren in den Niederlanden möglich ist. Da auch ich in der Beratung an die Schweigepflicht gebunden bin, konnte ich solche Kontakte nicht herstellen. Da es aber sehr wichtig ist, dass einzelne Eltern und Kinder nicht glauben sie seien alleine betroffen, biete ich den Weg eines " Pools für Eltern und Kinder" an.
1. Wer seine Adresse, Telefonnummer und falls vorhanden e-mail Adresse, sowie Name (Geburtsname und Name des gefühlten Geschlechtes) und Geburtsdatum seines Kindes bei mir meldet bekommt alle entsprechenden Daten der bereits im Pool befindlichen Anmeldungen. Seine Daten werden entsprechend an die bereits gemeldeten Adressen weitergegeben.
2. Jeder, der sich in den Pool eintragen lässt verpflichtet sich die ihm dann zur Verfügung gestellten Daten nur für Kontakte untereinander zu nutzen und absolute Diskretion über die Daten der anderen Poolteilnehmer nach außen zu wahren.
3. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der bereits eingetragenen Eltern und Kindern/Jugendlichen ist eine Anmeldung in den Pool nur auf dem Postwege möglich, mit der Verpflichtungserklärung die " Spielregeln" einzuhalten.
4. Der Pool wird in der Beratungsstelle der dgti in Nürnberg verwaltet. Vor der Aufnahme einer neuen Adresse verpflichte ich mich, den bereits Eingetragenen gegenüber, auf geeignete Weise zu prüfen, dass die Neuanmeldung tatsächlich nur den vorgesehenen Zielen und Aufgaben entspricht. Die Poolverwaltung berührt die Schweigepflicht, in Bezug auf Einzelberatung/Betreuung und sonstige Dienstleistungen der dgti nicht; sie ist absolut gewährleistet.
5. Die Kontakte der im Pool eingebrachten Teilnehmer untereinander werden von der dgti weder forciert noch kontrolliert.
6. Liegen von einem Poolteilnehmer Beschwerden gegen einen anderen Teilnehmer vor, so kann dieser andere Poolteilnehmer vom Pool ausgeschlossen werden, wenn mindestens zwei weitere Teilnehmer diese Beschwerde unterstützen. Der vom Ausschluss bedrohte Teilnehmer wird von der Poolverwaltung telefonisch oder schriftlich angehört. Bei einem Ausschluss ist der Ausgeschlossene verpflichtet alle ihm bis dahin zur Verfügung gestellten Adressen und Kontaktmöglichkeiten zu vernichten. Zuwiderhandlungen werden zum Schutz der anderen Teilnehmer rechtlich verfolgt.
Es wird sicher zu Beginn dieser Aktion der Eindruck entstehen, es gäbe nur sehr weit über Deutschland verteilt die Fälle von abweichender Geschlechtsidentität bei Kindern und Jugendlichen. Sie können aber versichert sein, dass sehr bald deutlich werden wird, dass dies so häufig vorkommt, dass schon bald regionale Verbindungen möglich sein werden. Dieses Poolangebot ist sicher nur ein Anfang, mit dem es aber möglich sein wird eine Einsicht, die in den Niederlanden schon seit Jahrzehnten besteht, auch in Deutschland zu erreichen. Aus den Lebensläufen von Transfrauen, Transmännern (früher als Transsexuelle MzF oder FzM bezeichnet) und Intersexuellen wissen alle an der Beratung, Diagnostik, Therapie und Begutachtung Beteiligten, dass sowohl intersexuell bedingte Geschlechtsabweichungen, als auch Abweichungen der Geschlechtsidentität von Geburt an vorliegen. Eine pseudowissenschaftliche und juristische Einengung auf zwei Geschlechter, der sowohl medizinisch als auch juristisch keine Definition zu Grunde liegt, führte und führt auch heute noch zu völlig falschen erzieherischen, psychologischen und medizinischen Handlungsansätzen.
Die Existenz von Transgendern - Transfrauen, Transmännern und Intersexuellen - ist naturgegeben, oder eben auch ein Teil der Vielfalt der Schöpfung. Kein Mensch wird erst im Laufe seines Lebens so, er ist es von Anfang an. Lediglich in Abhängigkeit vom sozialen Umfeld, der Erziehung, der Aufklärung und den Kompensationsräumen eines Kindes, Jugendlichen oder Erwachsenen wird es früher oder erst später deutlich, dass ein Mensch Transgender ist, also nicht in die Klischees eines ausschließlich binär verstandenen Geschlechtes passt (siehe auch den Aufsatz: "Was ist Geschlecht").
Ich lade Sie ein, sich am Pool für Eltern und junge Transgender zu beteiligen. Dies kann ein erster Schritt sein die Lage für junge Menschen und ihr gesamtes soziales Umfeld zu verbessern. Eine abweichende Geschlechtsidentität kann bereits dann sichtbar werden, wenn sich ihr Kind zu artikulieren beginnt, also im Alter von 2 -4 Jahren. Lesen Sie dazu den Ausschnitt aus dem Eingangs genannten Sachbuch, Kap. 4.5
Mit freundlichen Grüßen
gez. Helma Katrin Alter
Beratungsstelle Nürnberg der dgti