04 | 05 | 2024

JuraForum 2007 - Transsexualität und Recht


JuraForum 2007 - Münster, 20. November 2007

Transsexualität und Recht

Vortrag von Helma Katrin Alter

Sehr geehrte Menschen, sowie Damen und Herren,

Lehrende, praktizierende Juristen und Studierende,

zunächst möchte ich eines erklären, nämlich, warum im folgenden nicht von "Transsexualität" und "Transsexuellen" gesprochen wird, sondern von "Transgender" und "Transgendern". Mir ist bewußt, daß "Transsexualität" quasi der offizielle Begriff ist, aber diesen als mittlerweile umstritten zu bezeichnen ist noch untertrieben. Da ist zunächst mal das unvermeidliche Mißverständnis: Transsexualität bezeichnet nicht, wie Hetero-, Homo- oder Bisexualität, eine sexuelle Orientierung oder Identität, sondern sollte Menschen beschreiben, die mit den falschen Sexualorganen geboren wurden. Was uns gleich zum zweiten Problem bringt: Transsexualität bezeichnet in den allermeisten Fällen, und vor allem im juristischen und medizinischen Zusammenhang, Menschen, welche von eindeutig A nach eindeutig B wollen, mit dem "Wunsch nach chirurgischer und hormoneller Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen." (ICD-10, F64.0) Gibt es also irgendwelche Rechte für "Transsexuelle", dann werden von diesen Rechten sehr häufig jene ausgeschlossen, welche in diese sehr enge Definition nicht passen; dazu unten mehr. Von daher wird der Begriff Transsexualität nicht nur von vielen Trans-Gruppierungen abgelehnt, sondern mittlerweile auch zum Beispiel von der Deutschen Gesellschaft zur Sexualwissenschaft. "Transsexuell" verwende ich daher nur dort, wo es sich auf Aussagen bezieht, welche diese Wort benutzen.

Wenn Juristen an die Rechte von Transsexuellen denken und mit dem Thema konfrontiert werden, dann glauben sie, dass alles im „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung über die Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen“, dem sogenannten Transsexuellengesetz – TSG, geregelt sei. Meiner Erfahrung nach trifft diese Aussage zumindest für die meisten Juristen zu, und es kommt regelmäßig zu großem Erstaunen, wenn sie dann begreifen, dass die rechtlichen Probleme wesentlich vielschichtiger sind. Das beginnt

· bei der Wirklichkeit des Grundgesetzes, wie sich diese für Transsexuelle darstellt,

· geht über das Bürgerliche Gesetzbuch, Personenstandsgesetz und Namensrecht,

· Regelungen im Meldewesen und damit verbundenes Verwaltungsrecht,

· viele Bereiche des Zivilrechtes, vom Mietrecht über Versicherungsrecht, Lebens-, KFZ-, Hausrat- und private Haftpflichtversicherungen (um nur die wichtigsten zu nennen), vor allem unter Berücksichtigung des AGG,

· über den gesamten Bereich der Sozialgesetzgebung, also Unterstützung mit ALG I oder ALG II, Bezug von Sozialhilfe bei nicht vorliegender Arbeitsfähigkeit, Renten- und Krankenversicherung, bis in den Bereich medizinischer Versorgung,

· und schließlich muss auch das Strafrecht betrachtet werden (denn auch unter Transsexuellen gibt es „böse“ Buben und Mädels, Frauen und Männer). Nicht selten aber geraten sie in Situationen, oder werden sogar in solche hineingezogen/genötigt, in denen es zur Straffälligkeit kommt.

Beginnen wir zunächst mit dem Grundgesetz und einem sehr wichtigen, von der Politik und den Experten der Sexualmedizin und den von den Gerichten bestellten Gutachtern jedoch völlig unbeachteten Urteil der 2. Kammer des zweiten Senates des Bundesverfassungsgerichtes vom 15.08.1996 (- 2 BvR 1833/95 -):

Das Bundesverfassungsgericht stellt zunächst fest, dass es zur Sachentscheidung im vorgelegten Fall berufen ist und stellt dann dem eigentlichen Urteil und seiner Begründung zwei Leitsätze voran, von denen ich hier, wegen seiner weitreichenden Bedeutung, den ersten wörtlich zitiere:

Art. 1. Abs. 1 GG schützt die Würde des Menschen in der Individualität, in der er sich selbst begreift. Dieser Verfassungsgrundwert gewährleistet zugleich in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG die Freiheit des Individuums, sich seinen Fähigkeiten und Kräften entsprechend zu entfalten. Aus der Achtung der Menschenwürde und dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit folgt das Gebot, den Personenstand des Menschen dem Geschlecht zuzuordnen, dem er nach seiner psychischen und physischen Konstitution zugehört (vgl. BVerflGE 49, 286). Die Frage, welchem Geschlecht sich ein Mensch zugehörig empfindet, betrifft dabei seinen Sexualbereich, den das GG als Teil der Privatsphäre unter den verfassungsrechtlichen Schutz der Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. l Abs. 1 GG gestellt hat (vgl. BVerfGE 47, 46; 60, 123; 88, 87). Jedermann kann daher von den staatlichen Organen die Achtung dieses Bereichs verlangen. Das schließt die Pflicht ein, die individuelle Entscheidung eines Menschen über seine Geschlechtszugehörigkeit zu respektieren.

Leider wurde von den Verfassungsrichtern mit dieser Feststellung kein Auftrag an die Politik verbunden, sie durch entsprechende gesetzliche Regelungen, bzw. Änderung bestehender Gesetze umzusetzen. Seit nunmehr 11 Jahren hat sich also nichts getan und jeder Hinweis, endlich zu handeln, wurde damit abgetan, dass es in dem Verfahren selbst ja "nur" um das Recht ginge, dass auch eine Strafgefangene, die bisher nur einen Beschluss nach § 1 TSG (Änderung des Vornamens) hatte, das Recht habe, als Frau angesprochen zu werden (in einem Männergefängnis).

Im Wesentlichen werden die Grundrechte für Transgender, vor allem aber für Intersexuelle, also Menschen die mit uneindeutigem oder mehrdeutigem biologischen Geschlecht geboren werden, zum Teil bedenkenlos verwehrt oder eingeschränkt. Mit der z.Z. bestehenden Rechtspraxis kollidieren vor allem folgende Artikel des Grundgesetzes:

· Art. 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Hat ein intersexueller Mensch z.B. keine Würde? Dadurch, dass er nicht ins Geburtenbuch eingetragen werden darf, solange keine Entscheidung für sein Geschlecht als männlich oder weiblich getroffen wurde, (die Eintragung als Zwitter ins Geburtenbuch ist bis heute nicht erlaubt bzw. möglich), werden ihm seine Rechte aus dem GG vorenthalten.· Art. 2: „Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, …“. Darf z.B. Verwaltungsrecht der Schule über Art. 2 gestellt werden, auch dann wenn deutlich ist, dass sich ein Kind schon zum Zeitpunkt der Schulanmeldung eindeutig entgegen der Zuweisung in der Geburtsurkunde entwickelt, oder schon in der Grundschule eine dem Geburtseintrag entgegengesetzte Entwicklung deutlich wird. Haben Pädagogen denn die Pflicht, zur Not mit Druck, ein Kind zu dem Geschlecht hin zu verbiegen, das in der Geburtsurkunde steht (dem Hebammengeschlecht, welches ja eine Fremdzuweisung auf Grund des Genitalbildes ist)?

· Art. 3: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, … benachteiligt oder bevorzugt werden. Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Dürfen nur „richtige“ Männer und Frauen diesen Artikel für sich in Anspruch nehmen; und alle anderen müssen eben durch medizinische oder psychische Maßnahmen so lange behandelt werden, bis sie das Bild von Mann oder Frau erfüllen? Haben insbesondere intersexuelle Menschen kein erlaubtes Geschlecht, dürfen also trotz Art.3 Abs. 1 benachteiligt werden, weil sie nicht „gleich“ sind?

· Art. 6: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.“ Ist es mit dem GG und den Menschenrechten vereinbar, wenn sich z.B. im Laufe der Ehe herausstellt, dass einer der beiden Partner transsexuell ist und sich behandeln lässt, ihm dann die Anerkennung seines Geschlechtes zu verweigern, wenn er an der Ehe festhalten will? Wenn die beiden Partner auch weiterhin zusammenleben wollen und es auch tun, dann fehlt es andererseits an der Voraussetzung für eine Scheidung, der Zerrüttung (§§ 1565 – 1568 BGB). Hier stehen die Rechte aus Art.1, 2 und 3 des GG im Widerspruch zu den Rechten des Art. 6.

· Art. 19: „Einschränkung von Grundrechten“. Die dort in der Verfassung garantierten Grundrechte werden weder beim TSG, noch beim Umgang mit intersexuellen Menschen berücksichtigt. Es wird bedenken- und gedankenlos gegen sie verstoßen.

Das Dilemma, in das sich unser Rechtsstaat selbst gebracht hat, beginnt bereits mit der Geburt eines Kindes und der Pflicht diese Geburt anzuzeigen, damit sie im Geburtenbuch festgehalten werden kann. Die §§ 16 – 31a PStG regeln die Rechte und Pflichten des Standesbeamten, sowie die Rechte und Pflichten der Eltern, oder anderer Stellen, die von der Geburt Kenntnis erlangt haben, zur Anzeige einer Geburt. Im § 21 Abs. 1 ist aufgezählt, welche Angaben über das Kind zu machen und ins Geburtenbuch einzutragen sind. Dabei sind, entsprechend der hier darzustellenden Problematik vor allem die Sätze 3. und 4. entscheidend,

· es ist das Geschlecht des Kindes anzugeben

· es sind die Vornamen und der Familienname des Kindes anzugeben.

Das Geschlecht des Kindes wird üblicherweise von der Hebamme oder dem bei der Geburt anwesenden Arzt angegeben, durch den Blick auf den äußeren Genitalbereich. Der medizinischen Wissenschaft ist seit über 100 Jahren bekannt, dass Geschlecht sich nicht ausschließlich durch die äußeren Genitalen bestimmen lässt, auch wenn diese Form der Bestimmung für etwa 98 % der Menschen im nachhinein sich als richtig herausstellt. Die medizinische und psychologische Wissenschaft erklärt einfach die restlichen 2 % für krankhafte Abweichungen, die behandelt werden müssen und behandelbar seien und teilt alle schon bei der Geburt in Erscheinung tretenden Uneindeutigkeiten und Mehrdeutigkeiten von Geschlecht in über 24 verschiedene Syndrome auf. Diese der Messbarkeit zugänglichen Syndrome/Abweichungen des Genitalbildes bei Neugeborenen machen ca. 1,4 – 1,8 % aller Geburten aus. Die restlichen 0,2 – 0,6 % lassen sich nicht messen und werden der sogenannten „Störung der Geschlechtsidentität“ zugeordnet, die bei der Geburt natürlich noch nicht auffällig wird. In den Fällen von uneindeutigem oder mehrdeutigem Geschlecht gibt der Arzt den Eltern eine Empfehlung, welchem Geschlecht sie ihr Kind zuordnen sollten. Wenn er sehr gewissenhaft bei seiner Empfehlung handelt, dann wird er zunächst versuchen, die verschiedenen Kriterien, die das körperliche Geschlecht bestimmen, sorgfältig zu überprüfen und auch darauf hinweisen, dass Geschlecht nicht nur durch biologisch messbare und nachweisbare Kriterien, wie innere und äußere Geschlechtsmerkmale und Geschlechtschromosome, bestimmt ist, sondern auch die zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht sichtbare oder messbare Identität eine ganz wesentliche Rolle spielt. Oft jedoch wird die ärztliche Empfehlung für die Eltern an die Machbarkeit einer frühkindlich medizinischen, bis hin zur chirurgischen, Zuweisung gekoppelt.

Wenn Eltern dieser ärztlichen Empfehlung nicht folgen wollen, kann ihr Kind nicht in das Geburtenbuch eingetragen werden. Es gibt keine Möglichkeit zu sagen, dass das Geschlecht unbestimmt sei.

Nun aber folgt das nächste Problem, da der Vorname eingetragen werden muss. Nach deutschem Recht darf nur ein Vorname eingetragen werden, aus dem das Geschlecht eindeutig ersichtlich ist. Ohne die Festlegung auf ein Geschlecht kann also auch kein Vorname eingetragen werden. Geschlechtsneutrale Vornamen sind nur im Zusammenhang mit einem eindeutigen Namen erlaubt. Selbst wenn ein Kind nachweislich als Hermaphrodit geboren wird kann es nicht Christian Petra oder Sabine Klaus oder auch Kim genannt werden (dies würde natürlich der Situation dieses Kindes gerecht, aber eben nicht den Gesetzen unseres Rechtsstaates). Man kann Eltern und dem gerade geborenen Kind nur wünschen, dass eine geschlechtliche Uneindeutigkeit oder Mehrdeutigkeit bei der Geburt übersehen wird. Nur dann haben sie und ihr gerade geborenes Kind eine gewisse Chance, in unserem Rechtssystem, zunächst ein paar Jahre glücklich zu leben.

Ich halte nochmals zusammenfassend fest:

Bei der Geburt wird ein Mensch fremdbestimmt einem Geschlecht zugeordnet, dem sogenannten Hebammengeschlecht durch den Blick zwischen die Beine. Auch wenn damit 98 % richtig erfasst werden, ist dies keine Begründung dafür, den restlichen 2 %, teilweise schon direkt nach der Geburt, ihre Grundrechte nach Art. 1 – 3 des GG vorzuenthalten.

Ärztliches Handel wird durch den gesetzlichen Mangel der Anerkennung von mehr als "männlich" und "weiblich" in einen real rechtsfreien Raum verlegt. Diesen Raum haben sich Wissenschaftler selbst geschaffen, indem sie, im Rahmen geltender Bilder, welche die natürlichen Wirklichkeit einschränken, jede Abweichung als unnatürlich und heilbar dargestellt haben. Doch es war schon immer eine menschlich verständliche Schwäche der Wissenschaft, Irrtümer vor allem dann nicht einzugestehen, wenn genau diese in das Bild der gerade vorherrschenden, allgemeinen Vorstellungen über das Leben passten (siehe auch frühere „wissenschaftliche“ Aussagen zu Homosexualität).

Doch auch allen Beteiligten an der Judikative muss eine Verantwortung zum aktiven Handeln auferlegt werden, wenn sie im Rahmen der geltenden Gesetzgebung und ihrer Anwendung auf Diskrepanzen und miteinander konkurrierende Rechtsansprüche stoßen. In kaum einem anderen Feld der Rechtssprechung wird dies so auffällig, wie bei der Abwägung des Rechts zur Selbstbestimmung und den Pflichten, die sich durch die Fremdbestimmung bei der Geburt ergeben.

Das Transsexuellengesetz

Noch deutlicher wird dies, wenn ich nun speziell auf das „Transsexuellengesetz“ (TSG) zu sprechen komme, das seit 1980, also 27 Jahren gilt. Ohne zunächst auf dessen Inhalt einzugehen, geschweige denn auf die „wissenschaftlichen“ Irrtümer, die zu seiner Entstehung in der jetzigen Form führten, möchte ich darlegen, was das Bundesverfassungsgericht bisher zu einzelnen Teilen des TSG entschieden hat.

Der Reformbedarf für das TSG ist in jedem Fall gegeben, was auch deutlich wird, wenn man sich klar macht, dass das Bundesverfassungsgericht schon insgesamt 5 Entscheidungen fällte, die auf die Anwendbarkeit des TSG direkten Eifluss haben und ein bereits angenommenes Verfahren zur Entscheidung ansteht.

1. 1982 1 BvR 938/81 – Aufhebung der Altersgrenze für den Geschlechtswechsel bei Antrag nach § 8 TSG (mit sofortiger Rechtswirkung)

2. 1983 1 BvL 38,40,43/82 – Aufhebung der Altersgrenze für Namensänderung bei Antrag nach §1 TSG (mit sofortiger Rechtswirkung)

3. 1996 2 BvR 1833/95 – Recht auf Selbstbestimmung und Anrede (jedoch wurden daraus kaum Konsequenzen gezogen, wie ich schon ausführte, so dass es immer noch vorkommt, dass z.B. Wahlbriefe an Herrn Ulrike R oder Frau Klaus M gehen –angeblich sei die korrekte Anrede wegen Computerprogrammen nicht umsetzbar; aus dem 1. Leitsatz des obengenannten Urteils wurden keinerlei Konsequenzen gezogen, d.h. die pathologisierende Fremdbestimmung blieb erhalten)

4. 2005 1 BvL 3/03 – keine Aberkennung des Vornamens bei Eheschließung nach § 7 TSG, in der Begründung der deutliche Hinweis, dass auch das Zeugen oder Gebären eines Kindes kein automatischer Grund zur Aberkennung des Vornamens darstellt.

5. 2006 1 BvL 1,12/04 – Ausschluss von Ausländern von der Inanspruchnahme des § 1 und § 8 TSG, die nur geduldet sind, aber nicht nur vorübergehend in Deutschland leben, ist nicht verfassungsgemäß.

6. Anhängig ist ein Verfahren ob die Ehelosigkeit als Voraussetzung für die Geschlechtsänderung mit dem GG vereinbar ist (siehe dazu unsere Stellungnahme auf der dgti-Seite). Es geht hier um § 8 Abs. 1 Satz 2 des TSG.

7. In Vorbereitung ist eine Klage gegen die Bestimmungen § 8 Abs. 1 Satz 3 und 4, als Voraussetzung für Änderung der Geschlechtszugehörigkeit (Pflicht die Fortpflanzungsunfähigkeit und eine chirurgische Genitalangleichung als Voraussetzung für die Möglichkeit der Antragsstellung). Grundlage ist Art. 2 GG, das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Sieht man in einer Betrachtung des TSG von den Paragraphen ab, die Verfahrens- und Verwaltungsvorschriften enthalten, so bleiben als Kern des TSG nur

die Paragraphen 1, 6, 7 und 8 übrig.

Mit Ausnahme von § 6 wurden alle anderen ganz oder in Teilen als mit dem Grundgesetz unvereinbar bereits außer Kraft gesetzt. Das TSG hat in seiner jetzigen Form keine Daseinsberechtigung, denn es verstößt, wie Eingangs bereits dargelegt, gegen Art. 1, 2, 3, 6 und 19 des GG.

Grundsätzlich gilt:

Das Grundgesetz steht über Bundesrecht, Landesrecht, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften und darf nur unter strenger Beachtung von Art. 19 GG durch Gesetze eingeschränkt werden. Dieser Grundsatz wurde beim TSG mit Sicherheit nicht ausreichend bedacht. Es stand aber zur Zeit seiner Einführung keine Lobby zur Verfügung, die dagegen von Anfang an hätte klagen können; zumal dies dann unter der damaligen Regierung Kohl auch wenig aussichtsreich erschien. Auch wurde Betroffenen dieser Mangel zunächst nicht unbedingt klar, da sie froh waren, dass endlich zur Durchsetzung ihres Anliegens, die Änderung der Geburtsurkunde, eine gesetzliche Handhabe vorgegeben wurde. Außerdem steht Bundesrecht über Landesrecht (Art. 31 GG), was vor allem in Hinblick auf unsere föderale Struktur immer wieder kritisch gesehen werden muss, weil in vielen Fällen die Umsetzung von Bundesrecht durch die Länder geregelt werden muss und es dabei nicht selten zu Unterschieden in den einzelnen Bundesländern kommt (siehe z.B. die Umsetzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes).

Bevor ich auf die einzelnen Abschnitte und Paragraphen des TSG eingehe sind noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen nötig:

· Das TSG ist zwar ein eigenständiges Gesetz, kann aber nicht isoliert gesehen werden. Es gehört zu den Gesetzen, die dem Personenstandsgesetz nachgeordnet sind. Es löst z.B. den Widerspruch auf, dass laut Namensrecht (ebenfalls dem PStG nachgeordnet) der Vorname das Geschlecht wiedergeben muss. Ein Antrag nach § 1 TSG, dem statt gegeben wird, führt aber dazu, dass es möglich ist in der Geburtsurkunde die Eintragung „Katrin, Geschlecht männlich“ oder „Paul Eduard, Geschlecht weiblich“ zu machen. Der § 15 TSG macht diesen Umstand ganz deutlich. Dort ist angegeben dass die §§ 30, 61, 62 und 65a des PStG entsprechend geändert werden mussten.

· Obwohl der Geburtseintrag ein für die Person fremdbestimmter Eintrag ist, werden dem Antragsteller die vollen Kosten des Gerichtsverfahrens und die Kosten für Gutachter, die er zwar vorschlagen kann, das Gericht dem aber nicht folgen muss, auferlegt. Grade die Kosten für die Gutachten können leicht mehrere Tausend Euro betragen. Im § 14 TSG ist die Änderung der Kostenordnung durch Einfügung von § 128a KostO im Einzelnen geregelt. Bei Verfahren nach derzeit noch geltendem Gesetz sind aber auch die Vorschriften über die Freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG), das Rechtspflegegesetz (RPflG) und die Zivilprozessordnung (ZPO) mit zu berücksichtigen. Ein Mensch, der das TSG für sich in Anspruch nehmen will, wäre damit völlig überfordert. Es muss darauf vertraut werden, dass der Richter dies alles berücksichtigt. Anders stellt sich für eine betroffene Person die Situation dar, wenn sie unter einem Handykap steht oder leidet. Dies könnten sein:

a) z.Z. im Strafvollzug oder unter Bewährung mit Auflagen,

b) sozial bedingt in einem Heim oder sogar unter Pflegschaft stehend,

c) krankheitsbedingt, körperlich und/oder psychisch, nicht nur vorübergehend stationär untergebracht in einem Heim oder psychiatrischen Einrichtung.

· Trotz der in den Jahren seit 1982 ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, dass Teile des TSG mit dem GG nicht vereinbar sind und daher diese nicht in die Rechtssprechung einfließen dürfen, wurde das TSG im Wortlaut nicht geändert. Es kommt also immer wieder vor, dass sie in Verfahren zur Anwendung kommen. Oft spiegelt sich dies in den Gutachten wieder, so dass es zu Ablehnung, dem Vorschlag das Verfahren eine Zeit ruhen zu lassen oder zu Nachbegutachtungen kommt, die Kosten enorm in die Höhe treiben können.

Es ist nun erforderlich, dass man sich das TSG selbst genauer ansieht und dabei vor allem die kritischen Punkte und Formulierungen genauer unter die Lupe nimmt.

Im § 1 Abs. 1 TSG lesen wir:

Die Vornamen einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, sind auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern, wenn (nun folgen die Bedingungen, auf die ich noch eingehen werde)

Das Gesetz kann also nur zur Anwendung kommen, wenn eine „transsexuelle Prägung“ vorliegt. Diese Formulierung ist nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft in mehreren Punkten kritisch:

(1) Der Gesetzgeber ging davon aus, dass sich Transsexualität durch Diagnose feststellen ließe. Alle Versuche dafür allgemein gültige Kriterien festzulegen sind aber gescheitert. Transsexualität ist also eine Eigendiagnose, die lediglich durch die sogenannte Differentialdiagnose gestützt werden kann (den Ausschluss anderer medizinische messbarer Ursachen, wie z.B. die Zuweisung zu einem Geschlecht bei nach der Geburt festgestellter Intersexualität, was wiederum intersexuellen Menschen den Zugang zum TSG verwehrt, was auch so einige Probleme mit sich bringt, bzw. das Vorliegen primärer neurotischer oder psychotischer Erkrankungen, von denen bekannt ist, dass sie zu Persönlichkeitsstörungen führen).

(2) Der Begriff der Prägung ist hier sehr umstritten, denn er suggeriert, dass ein äußerer Einfluss dafür verantwortlich ist. Wenn diese Prägung vorgeburtlich erfolgte, dann gehört sie in den Bereich der Intersexualität und das TSG wäre dann nicht allgemeingültig, im Sinne des Art. 19 GG, denn es gilt ja nur für die Intersexuellen, bei denen die Intersexualität nicht medizinisch nachweisbar ist (alle anderen Intersexuellen sind ausgeschlossen). Eine nach der Geburt erfolgte Prägung, also durch Erziehung und andere äußere Entwicklungseinflüsse konnte aber bisher nie wissenschaftlich nachgewiesen werden.

(3) Es wird eine transsexuelle Prägung verlangt. Dabei wird die Definition dessen, was "transsexuell" denn nun ist, auch noch weitestgehend den Gutachtern überlassen. Das bedeutet aber, daß Menschen, die nicht die Kriterien des F64.0 erfüllen, und sei es auch nur, daß sie eine genitalangleichende Operation für sich ablehnen, formal eine Vornamens- und erst recht eine Geschlechtsänderung verwehrt wird. Dazu kommt, daß viele Gutachter (seltsamerweise übrigens meist auch noch die teuersten) eine recht eingeschränkte Sichtweise davon haben, wann denn nun jemand sich dem "anderen Geschlecht" hinreichend zugehörig fühlt; so wurde schon in Gutachten eine Transsexualität deswegen abgelehnt, oder mit der Ablehnung gedroht, weil ein Transmann zu lange, eine Transfrau zu kurze Haare hatte, oder eine Transfrau es wagte, in Hosen in der Praxis des Gutachters aufzutauchen.

Auch die nächste Aussage ist nicht unstrittig: „… sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig …“

Mit dieser Feststellung wird zementiert, man könne nur dem einen oder dem anderen Geschlecht angehören, also die binäre, schwarz weiß Formulierung über Geschlecht. Geschlecht ist aber mindestens bipolar zu sehen, also männlich und weiblich nur als Eckpunkte eines gleitenden Übergangs. Dass sich etwa 98 % aller Menschen diesen beiden Eckpunkten zuordnen können ist dabei juristisch unerheblich.

(4) Ein Transsexueller, der sich nicht mit dem Geburtseintrag identifizieren kann, aber auch nicht glaubt dem anderen Geschlecht anzugehören (also etwa jemand, der sich als beides oder keins von beiden versteht) muss also entweder auf seine Rechte nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verzichten oder heucheln/lügen, wenn er das TSG für sich in Anspruch nimmt, weil er glaubt mit dem anerkannten und dann auch gelebten anderen Geschlecht sich eher arrangieren zu können.

Leider geht es munter weiter mit den juristisch unklaren Formulierungen. Wir lesen: „… seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, …“

(5) Wie soll ein Antragsteller glaubhaft machen, dass er unter einem Zwang steht? Genügt die Aussage, ja ich stehe unter Zwang? Muss er sein Inneres nach Außen kehren?

(6) Bei der Antragstellung ist es noch relativ unproblematisch. Die wirklichen Probleme kommen dann, wenn die Sachverständigen ins Verfahren mit eingreifen. Da gehen die Vorstellungen über „unter Zwang“ stehen sehr weit auseinander und unterliegen der individuellen Phantasie von Sachverständigen. Das geht so weit, dass sie den Zwang nur dann als glaubhaft anerkennen, wenn der Antragsteller schon drei Jahre in der gegengeschlechtlichen Rolle lebt (eine eindeutige Rechtsbeugung, dies zu verlangen).

Im § 1 TSG geht es nun mit der Aufzählung der Voraussetzungen weiter:

1. sie Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist oder wenn sie als staatenloser oder heimatloser Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder als Asylberechtigter oder ausländischer Flüchtling ihren Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, und

2. mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird, und

3. sie mindestens fünfundzwanzig Jahre alt ist.

Diese Aufzählung der formalen Voraussetzungen für eine Antragstellung wurde vom Bundesverfassungsgericht, wie Eingangs schon dargestellt, zweimal korrigiert, bzw. als mit dem GG nicht vereinbar außer Kraft gesetzt.

(7) Ein ausländischer Flüchtling darf also das TSG in Anspruch nehmen, solange er seinen Flüchtlingsstatus hat. Wenn aber in seinem Heimatland formal die Voraussetzungen zur Rückkehr erfüllt sind, z.B. durch Ende von Kampfhandlungen, verliert er den Flüchtlingsstatus und kann das TSG nicht mehr in Anspruch nehmen. Dies galt bisher selbst dann, wenn er schon in medizinischen Behandlungen war, die eine weitgehende Annäherung an das andere Geschlecht brachten, damit aber eine Abschiebung in das Heimatland gleichzeitig Gefahr für Leib und Leben gebracht hätte. In solchen Fällen kam es zu einer Duldung, jedoch im rechtsfreien Raum, bezogen auf Name und Geschlecht. Diesen mit den Menschenrechten unvereinbaren Zustand hat das Verfassungsgericht mit seinem Urteil und den Auflagen an den Gesetzgeber 2006 beendet.

(8) Die Formulierung in der zweiten Bedingung, „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ sucht wohl in der gesamten sonstigen Gesetzgebung vergeblich ein Äquivalent. Wie soll „hohe Wahrscheinlichkeit“ objektiv gemessen und beurteilt werden, um sie nicht der subjektiven Phantasie preis zu geben?

(9) Die dritte Bedingung, die Altersbeschränkung, wurde vom Bundesverfassungsgericht bereits 1983 mit sofortiger Wirkung, als mit dem GG unvereinbar, außer Kraft gesetzt.

Bleibt noch der § 1 Abs. 2 des TSG:

(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will.

Auf den ersten Blick scheint diese gesetzliche Bestimmung einfach und logisch, ist sie jedoch nicht.

(10) Entsprechend dem geltenden Namensrecht dürfen nur eindeutige Namen gewählt werden. Die Wahl geschlechtsneutraler Namen erfordert einen Zweitnamen, der das Geschlecht wiedergibt und zwar in der gegengeschlechtlichen Form. Ein Antragsteller, der früher Klaus Peter genannt wurde kann sich in Zukunft nicht Kim Peter nennen. Es ist in keinem Fall zulässig, dass sich dieser Antragsteller in Zukunft Claudia Peter nennen möchte. Das binäre Geschlechterprinzip darf in keinem Fall verletzt werden.

Der § 2 des TSG regelt die gerichtlichen Zuständigkeiten und die dabei zu berücksichtigende föderale Länderhoheit. Im § 3 TSG werden die Verfahrensbeteiligten genannt, der Antragsteller und der Vertreter des öffentlichen Interesses. In den meisten TSG-Verfahren glänzt der Vertreter des öffentlichen Interesses durch Abwesenheit (auch wenn er natürlich vor Rechtskraft einer Entscheidung die Akten zur Einsicht bekommt). Für den Antragsteller entsteht so indirekt der Eindruck, der Amtsrichter sei sein Verfahrensgegner und nicht die neutrale Instanz, die eine Abwägung zwischen persönlichem Interesse und öffentlichen Interesse durchzuführen hätte. Wenn nun durch politische Kreise sogar empfohlen wird den Vertreter des öffentlichen Interesses in TSG-Verfahren abzuschaffen um, um eine zeitliche Beschleunigung zu erreichen, dann bedeutet dies doch nichts anderes, als dass kein öffentliches Interesse an der Änderung des Namens und der Geschlechtszugehörigkeit besteht, sondern dies der individuellen Entscheidung des Individuums anheim steht. In diesem Fall jedoch besteht keinerlei Anlass, weiter an einem Gerichtsverfahren festzuhalten. Alles was im TSG geregelt ist, müsste dann durch reines Verwaltungsrecht, also einem Antrag beim Standesamt geregelt werden können.

Auch wenn ich in der Aufzählung der relevanten Paragraphen des TSG (auf Seite 5) nicht die §§ 4 und 5 aufgeführt habe muss ich kurz darauf eingehen. Der § 4 regelt das gerichtliche Verfahren. Diese Verfahrensregeln sind m.E. nur auf den ersten, oberflächlichen Blick logisch und richtig. Eine genauere Betrachtung hält aber allgemeingültigen, rechtlichen Maßstäben nicht stand. Im Einzelnen stelle ich fest:

§ 4 Abs. 1 TSG:

Auf das gerichtliche Verfahren sind die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(11) Es muss die Frage erlaubt sein, warum ein fremdbestimmter Verwaltungsakt, die Eintragung von Name und Geschlecht in das Geburtenbuch, nur durch ein kostenpflichtiges Gerichtsverfahren später geändert werden kann. Die Kosten können je nach Gericht und berufenen Gutachtern zwischen € 1.500 bis € 6.000 liegen.

(12) Es ist entsprechend dem 1. Leitsatz des Bundesverfassungsgerichtsurteils von 1996 (Az. 2 BvR 1833/95) die Frage zu stellen, ob es mit dem GG vereinbar ist, dass Fremdbestimmung ein höherer Stellenwert eingeräumt werden darf als Selbstbestimmung.

Absatz 2 schreibt vor, dass das Gericht den Antragsteller persönlich anhört. Das Problem, welches sich aus dieser Form der gesetzlichen Formulierung ergibt, besteht darin, dass keine Aussage gemacht wird, wann diese Anhörung statt zu finden hat. Es macht in der Praxis einen erheblichen Unterschied, ob eine Person einen unbefangenen Eindruck bei einem Richter hinterlassen kann, weil sie vor einer Begutachtung, die der Richter kennt, angehört wird, oder ob sie eben erst nach der Begutachtung angehört wird; wenn beispielsweise, und das gibt es öfters, ein Gutachten sich auf etwa 25 von 30 Seiten damit beschäftigt, was der Antragssteller jemals im Bett gemacht hat, zur Zeit im Bett macht, und in Zukunft im Bett zu machen beabsichtigt.

Damit komme ich logischerweise auf den § 4 Abs. 3 des TSG:

Das Gericht darf einem Antrag nach § 1 nur stattgeben, nachdem es die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt hat, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen der Transsexualismus ausreichend vertraut sind. Die Sachverständigen müssen unabhängig voneinander tätig werden; in ihren Gutachten haben sie auch dazu Stellung zu nehmen, ob sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft das Zugehörigkeitsempfinden des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird.

(13) Transsexualität lässt sich nicht direkt diagnostizieren, wieso sollte sie sich dann begutachten lassen? Natürlich war zum Zeitpunkt des Schaffung des TSG diese Erkenntnis nicht bis zu den Beratern der Legislative vorgedrungen. Wir haben sie aber jetzt und müssen auf rechtliche Konsequenzen drängen.

(14) Die Formulierung des Abs. 3 lässt dem Richter jede Möglichkeit der Entscheidung. Er kann trotz positiver Gutachten den Antrag ablehnen oder ihm trotz negativer Gutachten zustimmen. Der Richter hat durch das TSG zwar die Pflicht der Einholung von Gutachten, aber keine Vorgaben, wie er sie zu bewerten hat. Es scheint zwar absurd, wie ich es hier darlege, ist aber in Einzelfällen genau so geschehen.

Der § 4 Abs. 4 des TSG

Gegen die Entscheidung, durch die einem Antrag nach § 1 stattgegeben wird, steht den Beteiligten die sofortige Beschwerde zu. Die Entscheidung wird erst mit Rechtskraft wirksam (also keine Rechtsmittel bei Ablehnung).

Mit dieser gesetzlichen Regelung wird ein Ungleichgewicht der Verfahrensbeteiligten zementiert. Diese ist eindeutig mit der allgemeinen Rechtssprechung und dem Grundgesetz unvereinbar.

(15) Es wird faktisch nur der Vertretung des öffentlichen Interesses ein Recht auf sofortige Beschwerde eingeräumt (der Antragsteller wird ja nicht Einspruch erheben, wenn seinem Antrag stattgegeben wird). Das Gesetz sieht keinen Hinweis dafür vor, dass auch der Antragsteller ein Recht auf Revision oder sofortige Beschwerde bei Ablehnung seines Antrages haben würde. Diese Ungleichbehandlung von rechtlichen Positionen ist mit dem GG nicht vereinbar.

(16) Auch wenn es bisher kaum einen Fall der Ablehnung eines Antrags nach § 1 TSG gab, so ist doch eindeutig zu bemängeln, dass keine Rechtsbelehrung in einer Ablehnung erfolgt. Oft kommt es aber dazu, dass ein Verfahren gar nicht erst angenommen wird (gerne auch ohne jegliche Rechtsbelehrung), weil angeblich die Voraussetzungen nicht erfüllt sind (also etwa der Antragssteller noch keine 3 Jahre im neuen Geschlecht lebt). Laut Gesetz ist jedoch die einzige Voraussetzung, dass ein Antragsteller seinen Namen geändert haben will.

(17) Das TSG sieht also keine Möglichkeit der sofortigen Beschwerde für den Fall vor, dass dem Antrag nicht stattgegeben wird. Dieses Ungleichgewicht zwischen den Interessen des Antragstellers und des „öffentlichen Interesses“ ist in der Formulierung von Gesetzen einmalig. Wenn ein Antragsteller juristisch nicht vorgebildet ist, und das gilt für die meisten Transsexuellen, dann kann er gar nicht wissen, dass er Möglichkeiten hätte. (Ich will nicht verschweigen, dass es Richter gibt, die bei Ablehnung eine Rechtsbelehrung machen, es ist aber nicht die Regel.)

Wenn ich mir nun die Ausführungen des § 5 TSG ansehe, dann entsteht der Eindruck, dass der Gesetzgeber hier einen Spagat vollführt, den er nicht beherrscht. Mit dem sogenannten „Offenbarungsverbot“ soll versucht werden die Persönlichkeitsrechte Betroffener ebenso zu schützen, wie die Rechte der Mitbetroffenen. Wörtlich heißt es im § 5 Abs. 1:

Ist die Entscheidung, durch welche die Vornamen des Antragstellers geändert werden, rechtskräftig, so dürfen die zur Zeit der Entscheidung geführten Vornamen ohne Zustimmung des Antragstellers nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn, dass besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.

Dass dieser Spagat nur stümperhaft gelungen ist will ich hier beispielhaft an meiner eigenen Situation darlegen.

(18) Ich bin juristisch „die Rechtsnachfolgerin des Vaters meiner Kinder“. Meine Kinder sind mit mir nach wie vor verwandt, im ersten Grad der Verwandtschaft (und selbstverständlich eventuell unterhaltspflichtig). Mein Antrag und rechtskräftiger Beschluss nach § 1 TSG hat nichts daran geändert. Ich bin durch diesen Beschluss nicht zur Mutter geworden, kann aber nach der Anerkennung als Helma Katrin auch nicht mehr juristisch als Vater behandelt werden.

(19) Durch die juristische Anerkennung des Vornamens bin ich sozialrechtlich in allen Bereichen als dem Geschlecht „weiblich“ zugehörig anzuerkennen, ohne dass ich daraus Rechte ableiten kann, die speziell Frauen schützen (was aber durch die fortschreitende Durchsetzung der Gleichstellung kaum noch eine Bedeutung hat). So lange kein rechtskräftiger Beschluss über die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit vorliegt (nach § 8 TSG), gelte ich im Strafrecht, der Krankenhausbehandlung und im Eherecht als männlich.

(20) Wenn nur ein Beschluss nach § 1 TSG vorliegt, kommt es immer wieder vor, dass amtliche Schreiben, z.B. Wahlbenachrichtigung, schlimmer aber auch Lohnsteuerkarten mit „Herrn Claudia Müller“ oder „Frau Martin Neumann“ verschickt werden. Die Begründung dafür, dass dies nicht anders gehe, ist üblicherweise, dass die Computerprogramme der Verwaltungen die Anrede automatisch nach dem Geschlecht richten. Dies ist unzulässig und nicht nur eine Diskriminierung von Amts wegen. sondern kann auch den Betreffenden gegen seinen Willen bloßstellen

Ein wesentlicher Aspekt, der im § 5 TSG zwar nicht angesprochen ist, logischer Weise aber seiner Rechtswirkung zuzuordnen ist, sind die Änderungen qualifizierender Schulzeugnisse, beruflicher Bildungsabschlüsse und Arbeitszeugnisse.

(21) Eine Person, deren Vorname auf Grund ihrer transsexuellen Prägung rechtskräftig geändert wurde, hat ein Recht auf Neuerteilung von Arbeitszeugnissen mit dem geänderten Namen und dem geänderten Geschlecht, bzw. der Anrede entsprechend dem Vornamen. Dies hat u.A. das Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) 4. Kammer in seinem Urteil vom 17. Dezember 1998, Az: 4 Sa 1337/98 so festgestellt.

(22) Analog diesem Urteil gilt dies natürlich auch für Schulzeugnisse, Studienabschlüsse und alle anderen qualifizierenden Zeugnisse und Diplome.

Der § 6 TSG regelt den Fall, dass ein Antragsteller eine Entscheidung nach § 1 TSG wieder rückgängig machen möchte. Es wird dabei verlangt, dass das ganze Prozedere, Begründung, Gutachter und Kosten für das Verfahren, entsprechend der §§ 2 – 4 wiederholt wird. Es entstehen wieder Gerichtskosten, Gutachtertermine und –kosten und der „Seelenstriptease“, wiederholt sich. Der Antragsteller kann nur die Vornamen zurück bekommen, die er vor der Namensänderung führte. Der Richter kann diese Vornamen nur dann ändern, „wenn dies aus schwerwiegenden Gründen zum Wohle des Antragstellers erforderlich ist“.

Da es keine Ausführungsbestimmungen zur Anwendung des TSG gibt, bleibt offen, was schwerwiegende Gründe zum Wohle des Antragstellers sind. Als ich im November 2000 die damalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin auf den Umstand aufmerksam machte, dass es keine rechtlich bindenden Ausführungsbestimmungen zum TSG gibt, sondern nur Rechtskommentare, wollte sie dies zunächst nicht glauben. Recherchen, die sie sofort in ihrem Ministerium anstellen ließ führten aber noch während unseres Gesprächs zur Bestätigung meiner Angaben. Bei der Menge an juristisch unklaren und weichen bis schwammigen Formulierungen, führt dies zwangsläufig dazu, dass die Anwendung und Auslegung des TSG, bei allem Bemühen von Richtern um Objektivität, in Deutschland zu unterschiedlichsten Verfahren und auch Ergebnissen führt, je nach Bundesland und der Grundeinstellung des mit solchen Verfahren betrauten Richters.

Im § 7 TSG werden die Fälle geregelt, in denen ein rechtskräftiger Beschluss über die Änderung der Vornamen von Amtswegen wieder als ungültig erklärt wird. Abs. 1 zählt die Gründe auf, die im Einzelnen sind.

(1) Die Entscheidung, durch welche die Vornamen des Antragstellers geändert worden sind, wird unwirksam, wenn

· nach Ablauf von dreihundert Tagen nach der Rechtskraft der Entscheidung ein Kind des Antragstellers geboren wird, mit dem Tag der Geburt des Kindes, oder

· bei einem nach Ablauf von dreihundert Tagen nach der Rechtskraft der Entscheidung geborenen Kind die Abstammung von dem Antragsteller anerkannt oder gerichtlich festgestellt wird, mit dem Tag, an dem die Anerkennung wirksam oder die Feststellung rechtskräftig wird, oder

· der Antragsteller eine Ehe schließt, mit der Abgabe der Erklärung nach § 1310 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Grundsätzlich muss zunächst festgestellt werden, laut den Protokollen und Niederschriften von Anhörungen und Debatten die zum TSG geführt haben, dass man beim § 7 praktisch ausschließlich Transfrauen im Blick hatte, also Männer mit rechtskräftiger Vornamensänderung in einen weiblichen Vornamen (der Missbrauch des TSG durch Schwule sollte mit allen Mitteln verhindert werden; es könnte ja das TSG zur Umgehung der Straftatbestände des §175 genutzt werden). Zunächst gehe ich auf den letzten Satz von § 7 Abs. 1 TSG ein.

(23) Zunächst muss festgestellt werden, dass § 1310 BGB aufgehoben wurde (wie alle §§ von 1303 – 1352 des IV Buches BGB, an deren Stelle die Regelungen des Ehegesetzes getreten sind, Gesetz Nr. 16 des Kontrollrates vom 20.02.46 mit allen späteren Änderungen).

(24) Wesentlich entscheidender ist jedoch die Tatsache, dass im Dezember 2005 vom Bundesverfassungsgericht (1 BvL 03/03) die Anwendung dieser Vorschrift als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt wurde und damit ab sofort rechtsunwirksam sei. Die Fähigkeit eine Ehe einzugehen oder eine Eingetragene Lebenspartnerschaft richtet sich ausschließlich nach dem juristischen Geschlecht, nicht nach dem gelebten Geschlecht. Auch Transgender haben das Recht auf eine gesicherte Gemeinschaft mit einem Partner. Wenn Transgender, gleich aus welchen Gründen, nur eine Vornamensänderung haben, darf ihnen das Recht auf eine staatlich gesicherte Partnerschaft nicht vorenthalten werden, oder wie im Fall des TSG, mit Entzug anderer Persönlichkeitsrechte sanktioniert werden.

(25) Ergänzend weist das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil darauf hin, dass auch die Sätze 1 und 2 dieser Vorschrift bedenklich sind. Es macht deutlich, dass bereits das TSG im § 7 Abs. 3 diese Bedenken teilt und die Möglichkeit bietet „… aus sonstigen schwerwiegenden Gründen anzunehmen ist, dass der Antragsteller sich wieder dem nicht seinem Geburtseintrag entsprechenden Geschlecht als zugehörig empfindet.“

(26) Persönlich möchte ich zu § 7 Abs. 1 Sätze eins und zwei folgende Anmerkung machen: Beide Sätze betreffen vom ursprünglichen Sinngehalt Transfrauen (also Mann-zu-Frau Transsexuelle). Satz 1 betrifft aber auch Transmänner, die ihren Vornamen rechtskräftig geändert haben, aber noch gebärfähig sind, weil medizinische Maßnahmen noch nicht eingeleitet sind oder ausreichende „kastrierende“ Wirkung haben. Satz 2 gilt entsprechend für Transfrauen, die noch zeugungsfähig sind. Der Gesetzgeber ging bei der Schaffung des TSG davon aus, dass der Akt der Zeugung beweise, man sei doch ein Mann, könne also nicht transsexuell sein. Im umgekehrten Fall ging er davon aus, dass der Akt der Empfängnis ein Beweis für Weiblichkeit ist. Dass es Transsexuellen vor ihrem Antrag auf Namensänderung selbstverständlich nicht verwehrt werden darf von ihren biologischen Fähigkeiten Gebrauch zu machen, wird stillschweigend ignoriert.

Mit § 7 Abs. 3 TSG wird ein weiteres Unrecht, nur aus der Zeit der 70er Jahre zu verstehen (wo grundsätzlich von der Heterosexualität (bezogen auf das Identitätsgeschlecht) von Transgendern ausgegangen wurde), zementiert:

In Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 kann das Gericht die Vornamen des Antragstellers auf dessen Antrag wieder in die Vornamen ändern, die er bis zum Unwirksamwerden der Entscheidung geführt hat, wenn festgestellt ist, dass das Kind nicht von dem Antragsteller abstammt, oder aus sonstigen schwerwiegenden Gründen anzunehmen ist, dass der Antragsteller sich weiter dem nicht seinem Geburtseintrag entsprechenden Geschlecht als zugehörig empfindet. Die §§ 2,3,4 Abs.1,2 und 4 sowie § 5 Abs. 1 gelten entsprechend.

(27) Auch hier spiegelt sich eindeutig wieder, dass nur an noch zeugungsfähige Transfrauen gedacht wurde. Ein schwerwiegender Grund, dass ihr trotz nachgewiesener Vaterschaft wieder der weibliche Name zuerkannt wird, könnte z.B. sein, dass nachgewiesen wird sie sei als willenloser Samenspender missbraucht worden. Ein anderer Grund ist, wie im Gesetz formuliert, dass sich später herausstellt, dass die ursprünglich angegebene und anerkannte Vaterschaft nicht besteht (z.B. durch einen genetischen Abstammungstest, u.U. durch gerichtliche Anordnung gegen den Willen der Mutter). Entsprechend kann diese Regelung natürlich auch für Transmänner angewandt werden, wenn sie vergewaltigt worden sind. Dass ein Transmann freiwillig ein Kind zur Welt bringen will, solange er noch kann, war für die Väter/Mütter des TSG unvorstellbar.

(28) Der letzte Satz von §7 Abs. 3 sagt ausdrücklich, dass dem Antragsteller wieder alle Kosten und Belastungen eines erneuten TSG-Verfahrens auferlegt werden. Die Stellungnahmen der Fachgesellschaften zum BvG-Urteil (1 BvL 03/03) weisen ausdrücklich darauf hin, dass die frühere Annahme der Wissenschaft falsch war, dass Zeugen ein Beweis für Männlichkeit, entsprechend Gebären ein Beweis für Weiblichkeit sei. Die Politik und der Gesetzgeber haben für Transsexuelle daraus bisher keine Konsequenzen gezogen, so dass das TSG nach wie vor unverändert angewandt wird.

Die größten Probleme wirft der § 8 TSG für die betroffenen Menschen auf. Er regelt die Voraussetzungen für die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit, also die Änderung des Geschlechtes im Geburtseintrag. Entsprechend beginnt der Abs. 1 mit folgendem Text:

Auf Antrag einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und die seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, ist vom Gericht festzustellen, dass sie als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, wenn sie (und nun folgen die Bedingungen 1-4)

1. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 erfüllt

2. nicht verheiratet ist,

3. dauernd fortpflanzungsunfähig ist und

4. sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechtes erreicht worden ist.

Vergleicht man den einleitenden Text von § 8 mit dem Text von § 1, so fällt auf, dass er sich inhaltlich lediglich dadurch unterscheidet, dass es im § 8 um die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit geht, im § 1 um die Änderung der Vornamen. Dabei muss entweder

a) eine bereits rechtwirksame Entscheidung zur Änderung der Vornamen (in die gegengeschlechtliche Form) erfolgt sein

b) oder es wird unterstellt, dass automatisch der Antrag zur Entscheidung über die Geschlechtszugehörigkeit um den Antrag zur Vornamensänderung erweitert wird.

Dies ergibt sich aus § 8 Abs. 2, in dem es heißt:

In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will; dies ist nicht erforderlich, wenn seine Vornamen bereits auf Grund von § 1 geändert worden sind.

Trotz dieser Eindeutigkeit der gesetzlichen Aussage kommt es immer wieder zu teilweise sehr seltsamen Auslegungen über die Anwendung des § 8 TSG, in Verbindung mit § 9, der das gerichtliche Verfahren regelt (ganz abgesehen von den die Menschenrechte und die Zusagen des GG verletzenden und aus heutiger Sicht sehr zweifelhaften Bedingungen, auf die ich gesondert eingehe). Die §§ 8 und 9 müssen also im Zusammenhang beleuchtet werden.

§ 9 TSG lautet:

(1) kann dem Antrag nur deshalb nicht stattgegeben werden, weil der Antragsteller sich einem seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff noch nicht unterzogen hat, noch nicht dauernd fortpflanzungsunfähig ist oder noch verheiratet ist, so stellt das Gericht dies vorab fest. Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten die sofortige Beschwerde zu.

(2) Ist die Entscheidung nach Abs. 1 Satz 1 unanfechtbar und sind die dort genannten Hinderungsgründe entfallen, so trifft das Gericht die Entscheidung nach § 8. Dabei ist es an seine Feststellungen in der Entscheidung nach Abs. 1 Satz 1 gebunden.

(3) Die §§ 2 bis 4 und 6 gelten entsprechend; die Gutachten sind auch darauf zu erstrecken, ob die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 vorliegen. In der Entscheidung von § 8 und in der Entscheidung nach Abs. 2 sind auch die Vornamen des Antragstellers zu ändern, es sei denn dass diese bereits auf Grund von § 1 geändert worden sind.

(29) Die Voraussetzung 1 des § 8 Abs. 1 TSG führt i.V.m. § 9 Abs. 3 TSG bei Gerichten und Gutachtern immer wieder zu Schwierigkeiten. Die Voraussetzung, dass es sich bei der antragstellenden Person um jemanden handelt, bei dem eine transsexuelle Prägung gegeben ist und der Zwang sich dem anderen Geschlecht zugehörig zu empfinden vorliegt ist eigentlich dann ausreichend nachgewiesen, wenn bereits ein rechtskräftiges Urteil zur Änderung der Vornamen vorliegt. Wenn bisher kein Antrag nach § 1 TSG gestellt wurde müssen logischerweise die §§ 2 bis 4 und 6 gelten. Die Gutachten sind dann entsprechend zu erstellen (auf die Probleme bin ich schon eingegangen).

(30) Es kommt aber immer wieder vor, an manchen Gerichten sogar generell, dass ein Verfahren nach § 8 i.V.m. § 9 TSG so geführt wird, als ob erneut geprüft werden müsse ob die Voraussetzungen nach § 1 (noch) bestehen. Begründet wird dies (recht abenteuerlich) damit, dass sich ja

a) der Zwang dem anderen Geschlecht anzugehören geändert haben könnte (was natürlich nicht wirklich sehr wahrscheinlich ist, wenn ein solcher Antrag gestellt wird) und außerdem

b) im § 9 Abs. 3 ja steht, dass „… die Gutachten sind auch darauf zu erstrecken, …“

was auf Grund dieser gesetzlichen Formulierung angeblich bedeute, dass auch die Gutachten eben erneut darlegen müssen, dass die Voraussetzungen nach § 1 TSG gegeben sind. Auf diese Art und Weise wird das Verfahren erneut zeitlich in die Länge gezogen und die Kosten werden in die Höhe getrieben.

(31) Besonders bedenklich, im Sinne der Menschenwürde und dem Recht auf freie Arztwahl, gerade wenn es um den Sexualbereich geht, ist die gesetzliche Formulierung, dass die Gutachten zur der Frage der „dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit und der operativen Genitalangleichung“ Stellung nehmen sollen. Auch wenn die meisten Gutachter sich damit begnügen, sich den Operationsbericht und den Nachsorgebericht des behandelnden Arztes vorlegen zu lassen, kommt es in machen Bundesländern oder bei speziellen Gutachtern vor, dass diese von Transfrauen und Transmännern verlangen sich einer Genitalbeschau zu unterziehen. Einige dieser Gutachter fotografieren dabei auch die Genitalien gerne. Diese Gutachter stützen sich auf das Gesetz, in dem sie ja zur Stellungnahme verpflichtet seinen, manchmal sogar dann, wenn das Gericht ausdrücklich darauf hinweise (im Gutachterauftrag), dass die Voraussetzungen § 8 Abs. 1 Satz 3 und 4 durch klinische Befunde bereits nachgewiesen sind.

Wenn man die Anwendung des § 8, geregelt im § 9, teilweise noch als ärgerlich bis hin zu fragwürdig bezeichnen könnte, sind die inhaltlichen Forderungen des § 8 TSG mit den Menschenrechten und dem Grundgesetz unvereinbar. Dass sie so in Gesetzesform gebracht werden konnten lässt sich nur verstehen, wenn man sich in die damalige Zeit, Beginn der 70er Jahre, zurückversetzt und sich in das umfangreiche Schriftmaterial von Sitzungsprotokollen, Anhörungen und „wissenschaftlichen“ Stellungnahmen einarbeitet.

Es ist nötig die wichtigsten Denkansätze, kulturellen Verengungen und „wissenschaftlichen“ Aussagen hier zunächst darzustellen.

· Die größte kulturelle Verengung besteht in der schon kurz dargelegten Vorstellung, es gäbe nur Mann und Frau, und alles andere müsse als krank oder unnatürlich gesehen werden, obwohl es weder eine medizinische klare Definition von männlich und weiblich gibt, noch eine juristische. Es handelt sich um eine dogmatische Position, unter der insbesondere all jene Menschen leiden, die in Kulturräumen aufwachsen, die sich auf das Alte Testament berufen, also Judentum, jede Form des Christentum und des Islam.

· Um die Zeit der Jahrhundertwende zum 20ten Jahrhundert wurden von der psychologischen und medizinischen Wissenschaft Thesen über „Mann und Frau“ aufgestellt, die zu der Annahme führten, Abweichungen davon seinen krank oder abartig, jedoch behandelbar. Dies betraf die Fragen zu Homosexualität und Intersexualität (der Begriff Transsexualität wurde erst später definiert). Unter den sich daraus entwickelten „Behandlungen“, bis hin zur Strafverfolgung Schwuler (lesbische Homosexualität schien harmlos zu sein), haben Menschen bis heute noch zu leiden. Von einer Gleichstellung sind wir, vor allem in den Köpfen der Menschen, noch weit entfernt.

· Das Transsexuellengesetz wurde unter anderem vor dem Hintergrund entwickelt, es müsse verhindert werden, dass Schwule es für sich nutzen, um ihren schwulen Partner heiraten zu können.

Wenn ich nun zurückkehre zu den Bedingungen des § 8 TSG, so wird dort als erstes gefordert, dass jemand seinen Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde nur dann ändern könne, wenn er nicht verheiratet ist. Es erschien undenkbar, dass ein Antragsteller mit seinem Partner verbunden bleiben möchte, wenn er transsexuell ist. Außerdem würde dann ja eine Ehe zwischen zwei Frauen oder zwei Männern entstehen (ich bin schon beim 1. Teil des TSG darauf eingegangen, dass dies natürlich möglich ist). Es bestand die Vorstellung, dass auch jemand, der vorher heterosexuell gelebt hat, sich mit seiner Anerkennung selbstverständlich umorientiert und nach der Anerkennung im anderen Geschlecht sich nun wieder heterosexuell orientiert (sich also dem Geschlecht zuwendet, von dem er sich selbst abgewendet hat). Die Möglichkeit einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft gab es 1980, als das TSG in Kraft trat noch nicht.Wesentlich gravierender ist aber die Zusage des GG im Art. 6, in Konkurrenz zum TSG zu sehen. Wenn ein Transsexueller versucht hat, die bei der Geburt zugewiesene Geschlechtsrolle anzunehmen, eine Ehe eingegangen ist aus der gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, ist er entsprechend der Forderung des TSG gezwungen sich freiwillig aus dem Schutz des Art. 6 GG zu lösen. Damit wird aber auch die gesamte Familie in eine schlechtere soziale Lage gezwungen, nur damit der Antragsteller sein Recht auf Änderung der Geburtsurkunde durchsetzen kann. (Wie bereits erwähnt ist zu dieser Unvereinbarkeit des TSG mit dem GG beim Verfassungsgericht eine Klage anhängig.)

In der dritten Bedingung zum § 8 wird die dauerhafte Fortpflanzungsunfähigkeit gefordert. Das Recht auf Fortpflanzung ist aber ein grundsätzliches Menschen Recht, das nur entzogen werden darf, wenn es zum Schutz der Allgemeinheit unumgänglich ist, die Fortpflanzung Einzelner zu verhindern.

(32) Menschen die mit dem HI-Virus infiziert sind, oder andere schwerwiegende Krankheiten (im Sinne einer Seuche) haben, die beim Sexualverkehr übertragen werden können sind moralisch verpflichtet, durch Anwendung geeigneter Schutzmaßnahmen (geschützter Verkehr) zu verhindern ihren Partner zu infizieren. Ihnen wird aber nicht das Recht auf Fortpflanzung entzogen, auch dann nicht, wenn sie an einer Erbkrankheit leiden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit an ihr Kind weitergegeben wird.

(33) Es wird immer wieder die Forderung laut, dass Sexualstraftäter, die ihren Trieb nicht unter Kontrolle bringen, kastriert werden müssen. Dies ist nicht grundsätzlich erlaubt. Ganz im Gegenteil. Selbst Straftäter, die sich einer Kastration freiwillig unterziehen wollen, haben große Schwierigkeiten dafür die Genehmigung zu erhalten.

(34) Wo also ist die „Unumgänglichkeit zum Schutz der Allgemeinheit“ zu sehen, wenn man im TSG den Nachweis der dauerhaften Fortpflanzungsunfähigkeit fordert? Es bleibt nur als Begründung das kulturell bedingte Dogma – Frauen dürfen keine Kinder zeugen und Männer dürfen keine Kinder gebären – es würde ja sonst die Welt aus den Angeln gehoben. Das ist in den schriftlichen Unterlagen, zur Entstehung des TSG, nachzulesen:

a) eine Transfrau würde sowieso keine Kinder zeugen wollen und ein Transmann keine Kinder gebären wollen, und

b) unter dem Einfluss der gegengeschlechtlichen Hormonbehandlung komme es ja zu einer chemischen Kastration. Dies spielt bei Entscheidungen nach TSG keine aber Rolle. Die Gerichte fordern die chirurgisch durchgeführte Kastration, also Entfernung der Hoden bzw. Eierstöcke.

Die vierte Voraussetzung für die Änderung des Geschlechtseintrages in die Geburtsurkunde ist ebenfalls mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Es wird gefordert, dass sich der Antragsteller einem operativen Eingriff unterzieht, der seine äußeren Geschlechtsmerkmale so verändert, dass eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechtes ergibt.

(35) Der Gesetzgeber hält es also für notwendig, dass sich ein Transmann oder eine Transfrau zwischen die Beine schauen lässt, um nachzuweisen, dass eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild von Mann oder Frau nach dem Eingriff erreicht wurde. Das Verfassungsgericht hatte aber bereits in seinem Urteil von 1996 festgestellt, dass der Sexualbereich unter dem besonderen Schutz der Verfassung durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 steht. Es ist richtig, dass der Genitalbereich bei einem Baby das einzige optische Unterscheidungsmerkmal ist. Spätestens nach dem Ende der biologischen Pubertät treten aber zusätzlich weitere Merkmale des Erscheinungsbildes auf. Sie sind auch die einzigen, die tatsächlich von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Richter, Vertreter des öffentlichen Interesses und Gutachter fixieren sich aber ausschließlich auf das Genitalbild.

Wenn dieses aber die Entscheidungsgrundlage für das Erscheinungsbild des Geschlechtes ist, dann „müsste es im Umkehrschluss doch verboten werden, dass Erwachsene unten herum bekleidet in die Öffentlichkeit treten, denn sie verschleiern ja damit ihr Geschlecht“. (Als ich dies in dem schon erwähnten Gespräch mit Herta Däubler-Gmelin im Nov. 2000 vorbrachte war sie zunächst sprachlos, sagte aber dann: „Eigentlich hast Du damit Recht, aber was in der Unterhose eines Menschen steckt geht weder die Öffentlichkeit, noch die staatlichen Organe etwas an.“)

(36) Von Anfang an wehrten sich Transmänner gegen die Forderung der Genitalangleichung, da ein Penoidaufbau, durch die fehlenden chirurgischen Möglichkeiten, zu keinem auch nur annähernd zumutbaren Ergebnis führte. Auch von den Fachleuten der Wiederherstellungschirurgie wurden sie dabei unterstützt. So bekamen sie die Änderung des Geschlechtseintrages auch ohne Penoidaufbau, aber die Gerichte bestanden zunächst darauf, dass in jedem Fall ein Scheidenverschluss durchgeführt werden musste.

(37) In einem weiteren Schritt setzten Transmänner durch, da, ein Scheidenverschluss durchaus Gesundheitsrisiken in sich birgt und nicht verlangt werden kann, daß auch dieser nicht mehr erfolgen muß. Auch dies wurde vom Bayrischen Oberlandesgericht abgelehnt (1Z BR 95194), so daß nun weder Aufbau noch Scheidenverschluß verlangt werden könne. Was allerdings einige Richter weiterhin keineswegs daran hindert, Anträge zunächst einmal abzulehnen, weil diese nicht erfolgt seien.

(38) Bei Transfrauen wird aber nach wie vor eine Penisentfernung und die künstliche Schaffung einer Vagina gefordert, unabhängig davon ob da etwas funktioniert oder nicht. Die Begründung ist, dass laut Aussage der Chirurgie dies ohne große Probleme und mit guten Ergebnissen erreichbar sei. (Nur hinter vorgehaltener Hand erfährt man, wie viel auch bei dieser OP schief geht, von körperlichen Schäden bis hin zur völligen Funktionsunfähigkeit und Gefühlstaubheit.) ()Die Forderung 4 des § 8 Abs. 1 TSG verstößt eindeutig gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, aber vor allem auch gegen Art. 2 Abs. 2, das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Die weiteren Paragraphen des TSG betreffen Rechtsfolgen der Entscheidung, Änderung von anderen Gesetzen, die mit dem TSG notwendig wurden, sowie Übergangs- und Schlussvorschriften. Soweit sie relevant und durchaus auch kritisch zu betrachten sind bin ich bereits darauf eingegangen, z.B. die Frage der Kosten.

Es ist nun noch notwendig, auf die anderen Rechtsbereiche, durch die Rechte von Transfrauen und Transmännern tangiert werden, entsprechend der anfänglich genannten Liste einzugehen. Bei der Behandlung des TSG bin ich schon auf Probleme mit dem Grundgesetz ausführlich an den entsprechenden Stellen eingegangen. Auch zu Teilen des BGB 4. Buch 1. Abschnitt, sowohl zur Ehe als auch zur Scheidung habe ich bereits ausgeführt, soweit dies durch §§ des TSG tangiert ist. Im folgenden werde ich exemplarisch an Einzelfällen darstellen, wie andere Rechtsbereiche für Menschen, die das TSG für sich in Anspruch nehmen, berührt werden, bzw. eine Abwägung zwischen Gesetzen und Rechtverordnungen dieser Bereiche und den Persönlichkeitsrechten Transsexueller erfolgen müsste oder auch durchgeführt wird. Eine positive Abwägung für den einzelnen Menschen findet leider nur sehr selten statt. Im Folgenden werde ich die Beispiele nach dem Alter der betroffenen Menschen staffeln und versuchen die Probleme einer Abwägung verschiedener Rechte zu beleuchten.

Kinder im vorpubertären Alter, also zwischen dem 5. und 10. Lebensjahr, schulpflichtig, bzw. verpflichtet für die Einschulung angemeldet zu werden:

Bei der Anmeldung eines Kindes müssen die Eltern die Geburtsurkunde des Kindes vorlegen. Die Anmeldung erfolgt also entsprechend der Fremdzuweisung durch das Hebammengeschlecht, mit Name und Geschlecht des Kindes. Selbst dann, wenn sich bei dem Kind schon eindeutig eine gegengeschlechtliche Entwicklung abzeichnet, und sowohl von den Eltern als auch dem Kinderarzt sorgfältig beobachtet und begleitet wird, besteht die Schulleitung auf dem zugewiesenen Geschlecht. Formaljuristisch hat sie damit Recht.

a) Es ist aber auch die Pflicht der Schule und ihres Lehrkörpers „die Würde des Menschen zu achten“ und „für die freie Entfaltung der Persönlichkeit den Rahmen zu geben“, vor allem eben bei in der Entwicklung stehenden Kindern.

b) Schulleitung und Lehrkörper haben nicht das Recht oder die Pflicht, die bisherige Entwicklung eines Kindes zu stören und die behutsame Begleitung des Kindes durch Eltern und Arzt, eventuell auch die bisherigen Spielkameraden, zunichte zu machen.

c) Kein vernünftig denkender Erwachsener würde darauf bestehen, dass ein Kind, am Beginn seiner bewussten Entwicklung, zu einem Verfahren nach TSG gezwungen werden muss, was dann zu einer vorzeitigen Festlegung des Kindes führen würde (egal ob gerichtlich befürwortet oder abgelehnt).

d) Auch wenn sich erst während der ersten Schuljahre herausstellt, dass bei dem Kind sich eine gegengeschlechtliche Entwicklung abzeichnet, hat die Schule die Verpflichtung an einer kindgerechten Lösung mit zu wirken.

Es muss möglich gemacht werden, dass sich ein solches Kind frei entfalten kann. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass zwar die Anmeldung, bzw. spätere Führung der offiziellen Schülerakte sich nach dem Geburtseintrag richtet, die Klassenakte und Zeugnisse aber entsprechend dem gelebten Entwicklungsgeschlecht geführt, bzw. ausgestellt werden. Zeugnisse haben die Aufgabe die Entwicklung und Leistung eines bestimmten Menschen amtlich zu dokumentieren. Gegen diesen Grundsatz wird nicht verstoßen, wenn sie entsprechend dem gelebten Geschlecht ausgestellt werden. Die Lehrkräfte sind positiv in die weiteren Beobachtungsprozesse einzubeziehen. Menschenrecht geht vor Schulrecht.

Die Erziehungswissenschaftler, und deren Ergebnisse auch praktisch anwendende Menschen, wie auch die Kinder- und Jugendpsychologen, gehen nach wie vor von der „wissenschaftlichen“ These aus, dass Geschlechtsidentität erziehbar sei; obgleich diese These mittlerweile als mindestens umstritten gelten muß. Unserer Erfahrung nach kann aber nur geschlechtstypisches Verhalten anerzogen oder unterdrückt werden. Wenn aber Verhalten entgegen der Identität erzwungen wird, kommt es zwangsläufig zu Entwicklungsstörungen. Die Vielfalt, wie sich dies ausdrückt, kann nicht Gegenstand des Vortrages sein.

Jugendliche in der Pubertät bis zum Schulabschluss, bzw. Übergang ins Berufsleben oder Studium:

Unabhängig davon, ob bei Jugendlichen schon vor Beginn der Pubertät eine medizinisch stützende Behandlung statt fand (und somit die biologische Pubertät mit ihren „Schäden“ von Anfang an verhindert wurde – also kein Stimmbruch oder Bartentwicklung, bzw. kein Einsetzen der Regel und Brustwachstum) oder ob erst in oder kurz nach Ende der Pubertät mit einer gegengeschlechtlichen Behandlung begonnen wurde, treten für einen Jugendlichen mit 16 Jahren und später neue rechtliche Probleme auf.

a) Wurde er/sie bisher entgegen der Zuweisung des Geschlechtes angesprochen und behandelt, so wird nun deutlich, dass dies scheinbar nur aus Kulanz geschah. Er/sie ist verpflichtet einen Personalausweis zu beantragen. Dieser wird nur auf der Basis der Eintragungen im Geburtsregister ausgestellt. Das Passbild zeigt also z.B. ein junges Mädchen und daneben steht als Vornamen „Karl Friedrich“. Schon im Vorfeld wurde „Herr Karl Friedrich“ aufgefordert bei seinem zuständigen Einwohnermeldeamt einen Personalausweis zu beantragen.

b) Auch Deutschland hat auf eine Forderung des Europäischen Parlaments aus dem Jahre 1989, Transsexuellen auf Wunsch einen Sonderausweis auszustellen, nicht reagiert. Als im Sommer 1998 die dgti gegründet wurde, war es eine ihrer ersten Aktivitäten, dem Bundesinnenministerium vorzuschlagen, dass die dgti einen Ergänzungsausweis zum amtlichen Dokument (Kinderausweis, Personalausweis oder Reisepass), im Einvernehmen mit der Bundesregierung, basierend auf geltendem Deutschen und Europäischen Recht, ausgibt. Gleichzeitig aber lehnte es das Innenministerium ab, mit dazu beizutragen, dass dieser Umstand, z.B. bei der Innenministerkonferenz, bekannt gemacht wurde.

c) Der junge Mensch, dessen Zeugnisse in Name und Anrede entsprechend dem gelebten Geschlecht ausgestellt sind, muss je nach Schultyp ein Praktika machen, sich um eine Ausbildungsstelle bemühen oder zum Studium anmelden. War er bisher bei seinen Eltern familienversichert, so tritt nun möglicherweise die Pflicht ein, sich selbst bei einer Krankenversicherung anzumelden. Es beginnt möglicherweise jetzt schon die allgemeine Sozialversicherungspflicht. Wenn die Versicherungskarte auch schon entsprechend dem gelebten Geschlecht ausgestellt war, dann kann er sich entsprechend auch selbst bei einer Krankenversicherung anmelden und den Arbeitgeber bitten die Anmeldung bei der Rentenversicherung vorzunehmen. Trotzdem kann es zu Problemen kommen, die ich hier nur kurz anreißen will:

- Die Lohnsteuerkarte wird von den Meldebehörden entsprechend des Geburtseintrages ausgestellt und weicht somit vom Namen des gelebten Geschlechtes ab. Hat die Meldebehörde Rechtsspielräume für eine individuelle, Diskriminierung vermeidende Lösung?

- Zur Eröffnung eines eigenen Bankkontos muss der Personalausweis vorgelegt werden, so dass auch hier das Problem entstehen kann, dass die Bank kein Konto entsprechend dem gelebten Geschlecht eröffnet. Darf die Bank von den allgemeingültigen rechtlichen Vorgaben abweichen?

- Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter bei den Berufsgenossenschaften, bzw. bei der betrieblichen Unfallversicherung anmelden. Muss er Schwierigkeiten befürchten, wenn bei einem Betriebsunfall es bei einem Transmann zu Brustverletzungen kommt?

- Es muss die Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt werden. Welche rechtlichen Komplikationen können auftreten, wenn für Frau Elfriede Neubert gezahlt wird, es formaljuristisch aber nur einen Herrn Friedrich Neubert gibt?

- Der junge Mensch macht in dieser Zeit möglicherweise seinen Führerschein. Die Fahrschule kann akzeptieren, dass er mir seinem gelebten Geschlecht angesprochen wird. Sie kann auch den Prüfer entsprechend instruieren. Der Führerschein wird aber auf den amtlichen Namen ausgestellt. Kauft er sich dann ein Auto, muss er eine Deckungskarte vorlegen. Darf die Versicherung diese entsprechend dem gelebten Geschlecht ausstellen?

- Wenn der junge Mensch keine Ausbildungsstelle findet meldet er sich bei der Agentur für Arbeit. Muss die ARGE ihn nun entsprechend dem gelebten Geschlecht führen oder ist sie verpflichtet die amtlichen Angaben zu verwenden?

d) Die Aufzählung der Probleme könnte noch weiter fortgeführt werden. Zivilrechtliche Geschäfte kann ein Transmensch jederzeit rechtswirksam entsprechend seiner Identität, entgegen der geburtlichen Fremdzuweisung tätigen. Es gibt aber Rechtsgeschäfte bei denen direkt oder indirekt staatliche Stellen mitwirken. So muss z.B. bei der Anmietung einer Wohnung eine Anmeldung beim Einwohnermeldeamt erfolgen und der Vermieter auf dem Formular bestätigen, dass die Wohnung an Herrn bzw. Frau … vermietet ist. Hat der Transmensch die Wohnung entsprechend seinem gelebten Geschlecht angemietet, dann erfährt der Vermieter spätestens bei dieser Meldebestätigung vom formaljuristisch „richtigen“ Namen und Geschlecht. Es kommt zum Zwangsouting durch die Behörde. Gibt es Rechtsspielräume, durch deren Nutzung die Behörde Diskriminierung vermeiden kann?

Gerade dann, wenn Transfrauen oder Transmänner Rechtsgeschäfte tätigen, an denen staatliche Stellen mitwirken müssen, entsteht der Eindruck es sei alles verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt sei. Spätestens beim Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen baut sich nun ein Druck auf, dem sich ein Transmensch kaum noch entziehen kann. Er wird praktisch genötigt einen Antrag nach TSG zu stellen. Gleichzeitig wird er aber durch die Länge der Verfahrensdauer praktisch für 1 bis 2 Jahre aufs „Abstellgleis“ gestellt. Statt Rechtsspielräume zu nutzen und in Konkurrenz zueinander stehende Rechte und Vorschriften im Sinne einer weiterhin positiven Entwicklung des Menschen auszuloten, kommt es zu Blockaden und Verstößen gegen die im Grundgesetz garantierten Persönlichkeitsrechte.

Es wird auch eindeutig gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen, ohne jedes Unrechtsbewusstsein. Dies kommt dadurch zu Stande, dass alle Geschlechter, die nicht eindeutig Frau oder Mann sind, also Intersexuelle und in der Umstellung befindliche Transsexuelle, von diesem Gesetz scheinbar nicht erfasst werden.

Damit sind wir aber wieder am Ausgangspunkt der heute erfolgten Betrachtungen. Es darf nur Männer und Frauen geben (und alles andere muss, natürlich mit zumutbaren humanen Mitteln, eliminiert werden).

Um den Rahmen nicht zu sprengen bin ich heute nicht auf den Bereich der medizinischen Versorgung von Transsexuellen, und allen damit im Zusammenhang stehenden Probleme, eingegangen. Die Probleme denen sich Transfrauen und Transmänner dort ausgesetzt (ausgeliefert) sehen, sind mindestens so vielschichtig wie die bisher aufgerissenen Probleme mit Recht und Gesellschaft. Noch gravierender sind sie beim medizinischen Umgang mit Intersexuellen. Dort aber werden sie von den Ärzten und „Fachleuten“ bisher besser vor der Öffentlichkeit versteckt, vor allem aber den intersexuellen Menschen selbst.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche mir nun eine lebhafte Aussprache.

© Helma Katrin Alter

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Ich verweise auch auf den Aufsatz Nr. 2 unter „Vorträge und Leitartikel“ auf der Seite der dgti „20 Jahre TSG“ eine Bestandsaufnahme.

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