27 | 04 | 2024

dgti

Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V.

Infoheft „Allgemeines“

Ausgabe Mai 2001


Inhaltsverzeichnis

Präambel der Satzung der dgti

Die dgti im Internet - www.dgti.info

Volksvermögen wird durch "Experten" und Trägheit von Behörden verschwendet

Transidentität und Erziehung

Erziehung und Transsexualität - Ein Interview mit Helma Katrin Alter

Grundsätzliches zum Thema Namensänderung

Entschließung des Deutschen Bundestages an das Europäische Parlament

Kommentar zur Entschließung des deutschen Bundestages

dgti-Lexikon

Der Ergänzungsausweis der dgti®

Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes

Das Beratungsgespräch

 



Präambel der Satzung der dgti

Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V.

Die  hat sich zum Ziel gesetzt, die Akzeptanz von Transidenten innerhalb der Gesellschaft zu fördern und deren Stigmatisierung entgegenzuwirken. Sie soll Betroffene und Interessierte beraten und betreuen, sofern dies gewünscht wird. Ein wesentlicher Aspekt der Arbeit sollte die (Re-)Integration von Betroffenen in den Arbeitsprozess sein, um so der Gefahr des sozialen Abstiegs zu begegnen, der heutzutage noch mit dem sozialen Wechsel verbunden ist. Sie tritt für mehr Offenheit der eigenen Identität gegenüber ein und trägt der Vielfalt menschlichen Daseins Rechnung.

Wir sind eine Vereinigung von Betroffenen aller beruflichen Bildungen und sozialen Schichten, sowie von nicht selbst betroffenen Menschen, welche den Zielen und Themen des Vereins in irgend einer Form nahe stehen.

Eines der elementaren Ziele des Vereines ist es, von Beginn an die Voraussetzungen zu schaffen, dass Behandelte, Behandler, sowie politische und soziale Entscheidungsträger gemeinsam an einem Tisch sitzend verantwortlich handeln können. Es gibt hinreichend Beispiele dafür, dass Betroffenen unnötige Mühen , Beschwerden und Hemmnisse, sowie den Trägern von Behandlungsmaßnahmen unnötige Kosten hätten erspart werden können, hätte auch nur ansatzweise eine sinnvolle Kommunikation stattgefunden. Damit dies in Zukunft geschehen kann, ist ein Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten nötig.

Ein weiteres Ziel unserer Tätigkeit wird es sein, der Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass Menschen mit "transidentischer Symptomatik" vollwertige Mitglieder dieser Gesellschaft sind, wenn man sie lässt.

GLEICHE CHANCEN FÜR ALLE

Wir sind angetreten, dies zu erreichen!

Amtsgericht Köln,  VR 13049

Bankverbindung und Spendenkonto:

Empfänger: dgti e.V.
Konto: 0013077606, BLZ: 66490000
Volksbank Offenburg

 

 

Die dgti im Internet - www.dgti.info - oder - dgti.trans-info.de

Unsere wichtigsten Medien sind das Internet und die elektronische Post. Hier bieten wir Hilfe durch Information, ohne Schnörkel und aufwendige, zeitraubende Grafiken. Neben einer aktuellen Begrüßungsseite findet der Leser die Rubriken:

Erstinformation - Ziele der dgti

Juristisches - Medizinisches

SHG's - Projekt NRW

Produkte - Links – Kontakte

Gender-Politik




Volksvermögen

wird durch "Experten" und Trägheit von Behörden verschwendet, ganz abgesehen von dem Leid, das Betroffenen und Mitbetroffenen zugefügt wird.

 

(Eine Betrachtung von Helma Katrin Alter)

Zwar fordern Transidenten seit Jahren ihre Rechte ein, und weisen auf Missstände und Probleme Hin, aber oftmals sind diese Aussagen für Menschen, die dem Problem nicht aus nächster Nähe begegnen, nicht nachzuvollziehen. Es fehlt manchmal nur an einer konkreten Aufstellung der Konsequenzen, die sich für die Gesellschaft als Ganzes aus der heutigen Praxis des Umgangs mit Transsexuellen und Intersexuellen ergeben. Und diese Konsequenzen müssen Entscheidungsträgern und Verantwortlichen vor Augen geführt werden. Eine dieser Konsequenzen ist die Verschwendung von Volksvermögen, die gerade in Zeiten leerer Kassen nicht hinnehmbar ist.

Zu der Gruppe der Entscheidungsträger gehören unter anderem Abgeordnete, Regierungsmitglieder, Vollzugsbeamte in allen Ebenen, Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit, ebenso wie Aufsichtsräte und Mitarbeiter der Krankenkassen, Ärzte und der MDK. In einem Bericht des 11. Bundestages und den daraus sich ergebenden Forderungen an das Europäische Parlament zur Lage der Transsexuellen geht hervor, dass man zwar weiß, wie die Lage der betroffenen Personengruppe ist, sich aber nicht damit beschäftigt, welche Konsequenzen dies für die Gesellschaft und die Betroffenen hat.

Ich habe mich bemüht, hier eine Berechnung der direkten und versteckten Kosten eines sozialen Wechsels aufzustellen, wenn er so abläuft, wie dies von einigen "Experten" gefordert wird; sowie eine Aufrechnung von entgangenen Einnahmen für den Staat und die Sozialkassen.

Manche Experten sprechen von nur 8.000 Transsexuellen, der Bundestag davon, dass ca. 60% davon von Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe leben müssen, also 4.800 Menschen. Obwohl die Zahl der Betroffenen mit Sicherheit wesentlich größer ist, werde ich nur von diesen ausgehen.

Daraus entstehen direkte Kosten für die Sozialgemeinschaft, ohne den direkten Anteil der Krankenkassen (wobei ich ganz bewusst jeweils an der unteren Grenze der Ausgaben geblieben bin):

Kosten pro Person und Monat

Kosten gesamt pro Jahr

Miete und Lebensunterhalt

DM 1.440

DM 82.944.000

Sozialversicherung

DM 600

DM 17.280.000

direkte Kosten ges.

DM 100.224.000

Die offensichtlichen indirekten Kosten ergeben sich aus:

·       entgangene Steuereinnahmen (nach Minimalsatz gerechnet)

·       fehlenden Beiträgen zur Sozialversicherung

·       Einnahmeverluste der Volkswirtschaft durch fehlende Kaufkraft


Verluste pro Person und Monat

Kosten gesamt pro Jahr

Steuerverlust

DM 450

DM 25.920.000

Rentenvers./Arblvers.

DM 836

DM 48.153.600

Krankenkassenbeiträge

DM 380

DM 21.888.000

fehlende Kaufkraft (davon 20% direkt)

DM 160

DM 9.160.000

indirekte Kosten ges.

DM 105.121.600

Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger ohne Zukunftsperspektive verursachen, was allgemein anerkannt und statistisch erfasst ist, höhere allgemeine Kosten im Gesundheitswesen. Diese Kosten müssen direkt von den Krankenkassen aufgebracht werden. Weitere direkte Kosten der Kassen fallen für die sogenannte "Pflichttherapie" an, in der sich jährlich etwa 10% der Transsexuellen befinden. Weitere 20% benötigen eine Therapie in Folge von sozialer "Beschädigung" und Schäden durch restriktive Behandlungs- und Begutachtungsmethoden. Daraus ergeben sich folgende Zahlen:


Kosten pro Person und Jahr

Kosten gesamt pro Jahr

erhöhte allg. Gesundheitskosten (4800 Personen)

DM 300

DM 1.440.000

"Pflichttherapie" (800 Personen)

DM 6.000

DM 4.800.000

Therapie wegen "Folgeschäden" (1600 Personen)

DM 6.000

DM 9.600.000

Kassenleistungen ges.

DM 15.840.000

In den obigen Ausgaben sind keine speziellen Kosten für  die Behandlungen der  Transsexualität enthalten, sondern nur leicht vermeidbare Kosten .

Auch für unnötige Ausfallzeiten entstehen Kosten. Die Praxis, Transsexuelle langzeitig krank zu schreiben und sogar in die Erwerbsunfähigkeitsrente zu treiben, ist leider sehr verbreitet. Minimal geschätzt sind davon 5% aller Transsexuellen betroffen, das sind 400 Menschen.

Kosten pro Person und Monat

Kosten gesamt pro Jahr

Krankschreibung

DM 2.400

DM11.520.000

Verrentung

DM 1.600

DM 7.680.000

Kosten ges.

DM 19.200.000

Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden beläuft sich demnach jährlich auf mindestens.

DM 240.385.600

Dabei konnten noch nicht einmal alle vermeidbaren Kosten aufgelistet werden. Berücksichtigt man  dann noch , dass entsprechend der Forschungen des einzigen Lehrstuhles für Transsexualität in Europa an der Universität in Amsterdam die Zahl der Transsexuellen mindestens 10mal höher ist, dann bedeutet dies für obige Rechnung, dass mit einem jährlichen Schaden im Bereich

mehrerer Milliarden

gerechnet werden muss.

Dieser Schaden entsteht nicht ursächlich durch Transsexuelle, sondern durch den Umgang mit Transsexuellen in Deutschland.

Ergänzende Bemerkung Mai 2001:
Würde man alle Transgender, also Transfrauen, Transmänner und Intersexuelle in dieser Kostenrechnung erfassen, dann sind alle Angaben nochmals mindestens zu verdoppeln.

 


 

Transidentität und Erziehung

Transidenten werden es nicht erst als Erwachsene, sie sind es bereits als Kinder. Wenn Eltern dies bei ihrem Nachwuchs merken, dann entsteht oft Scham und Angst. Der folgende Text könnte schon über die ersten Hürden helfen. Eltern sollten sich darüber hinaus an die Beratungsstelle wenden.

Empfehlung an die Eltern

Nehmen Sie Ihr Kind ernst, auch wenn es erst zwei, drei oder vier Jahre ist. Erst im Laufe der Zeit gewöhnen wir ihm ab, zu sagen, was für es selbst gut ist. Es wird unsere Vorstellungen von gut oder schlecht, richtig oder falsch immer mehr übernehmen.

Wenn Ihr Kind seine Geschlechtsrolle nicht der biologischen Zuweisung entsprechend annimmt, dann üben Sie keinen Druck aus. Bieten Sie ihm spielerisch an, auch die zugewiesene Rolle auszuprobieren. Vielleicht findet es Gefallen daran und tut es. Wenn Ihr Kind transidentisch ist, dann wird es den Versuch selbst wieder beenden, ohne das Schaden entstanden ist.

Nehmen Sie rechtzeitig Partei für Ihr Kind, auch wenn es sich nicht gesellschaftskonform verhält. Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind einfache Kompromisse, die Sie mit dem Kind gemeinsam tragen können, z.B. 'zum Schlafen darfst du ein Mädchennachthemd anziehen' - 'wir kaufen die roten Lackschuhe, die du im Garten anziehen darfst.' Zwingen Sie ein Mädchen nicht in Kleider, es ist nicht nötig. Schaffen Sie auch Spielzeug an, welches für das andere Geschlecht typisch ist. Machen Sie eine Aufgabenteilung. Papa spielt mit dir Eisenbahn und Fußball, Mami spielt mit Puppen und Kochen. Papa baut mit dir die Sandburg, Mami näht mit dir ein Kleid für die Puppe. Wichtig ist, dass es für das Kind spielerische Einladungen sind und nicht ein Zwang.

Tauschen Sie auch einmal die Zuweisungen, d.h. Mami spielt Fußball mit dir, Papa hilft beim Puppe anziehen. Beobachten Sie, wie Ihr Kind lernt zu unterscheiden, was es will und wie es sich fühlt. Gehen Sie möglichst auch auf Wünsche des Kindes ein. Erklären Sie einfach und klar, warum Papa keine Kleider anzieht, Mami nicht im Stehen pinkeln kann. Drücken Sie sich nicht um einfache Antworten. Ihr Kind kann mit der Antwort, Männer dürfen keine Kleider anziehen, nichts anfangen, wohl aber damit, dass der Papa das selbst nicht mag.

Wenn Ihr Kind in den Kindergarten geht und sich transidentisches Verhalten schon gezeigt hat, dann sprechen Sie mit den Erzieherinnen schon vorher darüber. Kinder können untereinander sehr grausam wirken. Es sind aber meist die Abgrenzungen der Erwachsenen, die von Kindern kritiklos übernommen wurden. Die daraus entstehenden Grausamkeiten können Sie anderen Kindern nicht verbieten, Ihr eigenes Kind auch nicht davor schützen. Wenn aber das Verhalten Ihres Kindes nicht als etwas Besonderes herausgestellt wird, dann verliert sich für die anderen sehr schnell der Reiz zum Ausgrenzen oder Angreifen.

Klagt Ihr Kind über Angriffe oder Ausgrenzung, dann nehmen Sie es ernst und stehen ihm bei. Vermeiden Sie dabei aber nun ihrerseits Ausgrenzung. Die anderen Kinder sind anders, aber weder besser noch schlechter. Auch die Kinder werden schnell ein Verhalten zeigen, bei dem Transidentität keine Rolle mehr spielt, es sei denn wir Erwachsenen legen Ihr eine besondere Bedeutung bei.

So wie es nicht den Mann oder die Frau gibt, so gibt es auch nicht den Transidenten. Ob Ihr Kind, auch wenn es transidentisch ist, später der biologischen Rollenzuweisung entsprechend leben kann oder nicht, kann in den meisten Fällen nicht vor Ende der Pubertät entschieden werden. Nur Ihr Kind selbst kann diese Entscheidung dann treffen. Bis dahin verträgt es jeden Druck, über den es sprechen kann und den es versteht. Handelte es sich bei dem transidentischen Verhalten nur um ein soziales Rollenspiel Ihres Kindes, dann hat es dieses Spiel mit Sicherheit schon vor Beginn der Pubertät abgelegt oder selbst als Spiel erkannt. Ist es aber Transidentität, dann hat es sich bis zu diesem Zeitpunkt inzwischen als aktiver Partner entwickelt.

Natürlich hört sich das jetzt sehr einfach an. Doch es lohnt sich immer wieder den Versuch zu machen, eine Lösung in obigem Sinne zu erreichen. Der Lohn dafür ist, dass sowohl Sie, als auch Ihr Kind, seelisch gesund bleiben.

(Obiger Auszug entstammt dem Buch 'Gleiche Chancen für alle - Transidentität in Deutschland 1998/1999', Kapitel: 'Eltern und Kinder', erschienen im März 2000, ISBN: 3-89811-043-5, zu bestellen bei bod.de/libri, bei Katrin Alter oder im Buchhandel, Preis Euro 15,24.)

 


 

Erziehung und Transsexualität - Ein Interview mit Helma Katrin Alter

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Lässt sich Transsexualität in wenigen Worten erklären?

Antwort: Als erstes muss festgestellt werden, dass der Begriff mit Sexualität eigentlich nichts zu tun hat. Es geht um ein Identitätsproblem der betroffenen Menschen, d.h. die körperliche Gestalt und die seelische Identität sind nicht dem gleichen Geschlecht zuzuordnen. Es geht also um Transgender oder Transidentität.

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Wann erkennen die Betroffenen ihre Andersartigkeit?

A: Die betroffenen Menschen bekommen ihre Andersartigkeit meist schon in sehr frühen Jahren mit, in der Kindheit, meist schon im Vorschulalter. Je stärker die Erziehung rollentypisches Verhalten erzwingt, um so eher wird dem Kind dann bewusst, dass etwas nicht stimmt. Als Transsexualität kann es von ihm noch nicht begriffen werden.

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Was muss ich mir unter „es stimmt etwas nicht“ vorstellen?

A: Beobachtet man Kinder, die sich normal entwickeln, werden sie, in den verschiedenen Lebensphasen wechselnd, sich dem eigenen oder dem Gegengeschlecht zuwenden. Kinder, bei denen sich später eine „Transidentität“ herausstellt, verhalten sich in den entsprechenden Entwicklungsphasen meist genau gegensätzlich in ihren Kontaktwünschen zum anderen Geschlecht.

Solche Kinder haben fast immer einen sehr großen Hang zu Spielen und Spielzeug des dem biologischen Geschlecht nicht entsprechenden Kindes. Häufig kann übergroße Sensibilität beobachtet werden und es kommt zu „Tagträumen“,  den Versuchen sich Kleidung des Gegengeschlechtes, das ja dem eigenen seelischen Geschlecht entspricht, zu besorgen und zu Isolierung gegenüber Gruppen. In den meisten Fällen werden diese Kinder weder von den Jungen noch von den Mädchen der gleichen Altersgruppe akzeptiert.

Dies könnten Erwachsene beobachten und frühzeitig mit aufgeklärten Fachleuten besprechen, um dem Kind Leid zu ersparen, denn das Kind selbst merkt ja nur, dass eben etwas nicht stimmt.

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Was Sie hier aufgezählt haben, trifft doch für viele Kinder zu!

A: Das ist richtig, deshalb ist es ja auch so wichtig, wenn viele oder alle aufgezählten Beobachtungen zutreffen, dass schon möglichst früh Fachleute zu Rate gezogen werden, um hier zu keinen falschen Schlüssen zu kommen oder dem Kind seelische Gewalt anzutun. In Deutschland gibt es, im Gegensatz zu den Niederlanden, dafür leider noch keine entsprechenden Einrichtungen. Damit bleibt es weitgehend dem Zufall überlassen, ob Eltern und Kindern schon in diesem Stadium der Entwicklung der eigenen Identität geholfen werden kann.

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Im Rahmen der Gesundheitsvorsorge werden doch aber die Kinder regelmäßig Ärzten vorgestellt, so dass sich die Möglichkeit klärender Gespräche und die richtige Bewertung von Beobachtungen erbeben müsste?

A: In der Theorie könnte das so stimmen. Praktisch fehlt aber heute der Kontakt zwischen Ärzten und Eltern. In der Gesundheitsvorsorge bleibt keine Zeit mehr für das wirkliche Gespräch und Kennenlernen der „Patienten“. Die meisten Kinderärzte haben keine Zeit dafür, nicht nur mit den Augen des Mediziners zu sehen, sondern auch mit ihrem "seelischen oder menschlichen Auge"! Außerdem kommt hinzu, dass ein Kind bei der Geburt entsprechend dem optischen Eindruck auf Junge oder Mädchen festgelegt wird. Identitätsabweichungen, die von Medizinern und Juristen als Transsexualität bezeichnet werden, widersprechen aber unserem Hang, der besonders auch für die Medizin gilt, alles zu normieren, zu erklären und zu ordnen. Das Vorliegen einer Transidentität lässt sich weder prognostizieren noch eindeutig nachweisen. Der einzige Beweis ist das Empfinden der betroffenen Menschen. Damit passen sie nicht in das Bild unserer alles erklärenden Wissenschaft.

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Transsexualität ist also ein rein psychisches Problem, das noch nicht ausreichend erforscht ist?

A: Bei dieser Frage weiß ich nie, ob ich lachen oder weinen soll. Ich muss an den Ausspruch denken: „Wir haben den ganzen Menschen seziert, seine Seele aber haben wir nicht gefunden!“ Daraus möchten manche Wissenschaftler den Schluss ziehen, es gäbe die Seele nicht. So bleibt der Wissenschaft nur die Möglichkeit, die Existenz der Seele zu verschweigen. Wenn wir den Menschen nur aus Physis und Psyche zusammensetzen wollen, dann kommt als Ergebnis kein „ganzer“ Mensch heraus. Dies ist jedem Arzt und Wissenschaftler klar, aber kaum einer wagt es auch, dies so auszusprechen. Auch in unserer kulturellen Entwicklung gab es Zeiten, in denen die Menschen mit all ihrer Klugheit und ihrem Forscherd rang mit Ehrfurcht den Wundern der Schöpfung begegnet sind, gleichgültig, was sie sich unter Schöpfung vorgestellt haben!

Um die Frage aber nun ganz konkret zu beantworten: Transsexualität ist ein menschliches Problem, weil wir es zum Problem machen. Ob die Ursachen "nur" im seelischen oder auch in körperlichen Bereich liegen, ist allerdings tatsächlich noch nicht erforscht. Aber selbst wenn die Antwort "psychisch" sein sollte, dann sollte man das Problem nicht als "Spinnerei" abtun, was nur allzu oft ein Synonym für "psychisch" ist.

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Ich möchte das Wort „Problem“ nochmals aufgreifen und frage mich, warum es erst in den letzten Jahrzehnten so deutlich und immer häufiger auftritt?

A: Sie vermischen zwei Dinge, die ich getrennt beantworten muss. Dass das Phänomen der Transsexualität seit den 70er Jahren immer deutlicher als Problem auftritt, ist vordergründig gesehen richtig. Soziologische und medizinische Entwicklungen sind der eine Grund dafür, ohne zu werten ob sie in jedem Fall ein Fortschritt sind.

Als zweiten Grund kann ich eindeutig die Entwicklung in unseren Medien betrachten. Mehr Information lässt ein Problem immer größer erscheinen als es im Einzelfall ist. Unabhängig davon soll auch Menschen mit einer abweichenden Geschlechtsidentität geholfen werden. Häufig entstehen durch diese Möglichkeiten der Hilfe aber auch neue Zwänge.

Die zweite Feststellung, nämlich dass Transsexualität seit den 7oer Jahren häufiger auftritt als in früheren Jahren oder Epochen, muss ich bestreiten. Die Geschichtsforschung, die sich sowohl mit der Literatur als auch der soziologischen und ethischen Entwicklung in früheren Epochen und Kulturen beschäftigt, stößt immer wieder und zu allen Zeiten auf das Phänomen der Transidentität.

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Dann müsste es doch auch heute andere Möglichkeiten für Eltern und Kinder geben als Verdrängung und Leid, bzw. Angst und Scham?

A: Wenn ich daran denke, dass es früher ohne Hormone und chirurgische Höchstleistungen der Medizin Lösungen für Betroffene und Mitbetroffene gab, dann macht mich das sehr traurig. Ich würde das Gespräch mit Ihnen gerne fortsetzen und Lösungsansätze für die frühkindliche Erziehung erörtern. Transsexuelle Menschen sind ein ganz normaler, im Kern gesunder, Teil der Schöpfung.

Was sie viel wichtiger als fremde Hilfe brauchen ist Akzeptanz, dann können sie sich nämlich in vielen Dingen selbst helfen. Unsere Gesellschaft und deren Vorstellung von „normal“ macht sie aber erst zum Problem! Neben allen notwendigen Sofortmaßnahmen für die heute lebenden Betroffenen, müsste an dieser Stelle angesetzt werden.

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Ich habe Ihren Artikel ‘Empfehlungen an die Eltern’ gelesen. Machen Sie es sich dabei nicht zu einfach? Die Wirklichkeit sieht doch für Eltern und Kinder ganz anders aus.

Antwort: Erstens gibt es keine allgemeingültige Wirklichkeit, auch wenn dies von uns Menschen immer wieder so gesehen, angestrebt oder gewünscht wird. Die Realität sieht in einer Stadt anders aus als auf dem Dorf, aber auch hier gibt es in jedem der Bereiche keine verbindliche Realität. Zweitens spielt das soziale Niveau und die Einstellung der Erwachsenen zum Leben, in der Familie und im direkten Umfeld eine erhebliche Rolle. Drittens kommt auch dem Alter der Eltern, des Kindes und der Menschen in der Nachbarschaft eine erhebliche Bedeutung zu.

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Aber diese Reihe von Unwägbarkeiten und Unterschiedlichkeiten ließe sich doch beliebig fortsetzen. Wie können dann Eltern Empfehlungen gegeben werden und den Kindern wirklich geholfen werden?

A: Leider gar nicht, wenn die Hilfe nicht aus jedem einzelnen Menschen selbst heraus kommt. Das oft als Drama erlebte Empfinden transidentischer Menschen beruht auf der einfachen Festschreibung, es gäbe nur Mann oder Frau, „das stehe so in der Bibel - das sei schon immer so gewesen - alles andere ist unnormal oder krank!“ Ich habe ja schon bei unserem letzten Zusammentreffen darüber gesprochen, dass es sich bei Transidenten eben um einen völlig gesunden Teil der Menschheit handelt, zwar selten vertreten, aber eben keine Erscheinung unserer Zeit. Ideal wäre, wenn dies alle Menschen so akzeptieren könnten. Wenn selbst Transidenten fordern, dass die Ursachen erforscht würden, dann ist damit oft die Hoffnung verbunden, die Geburt transidentischer Menschen zu verhindern. Aber kann dies wirklich ein Ziel sein, oder können wir nicht das Leben auch für Transidenten lebenswert machen?.

Aber da dies ein sehr weites Feld ist, schlage ich vor, dass wir uns heute speziell mit Kindern bis zum dritten Lebensjahr beschäftigen.

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Aber in diesem Lebensabschnitt spielt doch das Geschlecht noch gar keine Rolle. Wieso wollen Sie ausgerechnet eine Begrenzung auf diese Zeit?

A: Oberflächlich mag es so aussehen, als ob das Geschlecht noch keine Rolle spielen würde. Das ist aber ein Irrtum. Denken Sie nur an die Frage, ‘ob es dem Stammhalter gut gehe?’, oder den Wunsch der Mutter, ‘das Baby möge doch endlich die ersehnte Tochter sein’. Auch wenn die Ultraschalluntersuchung in erster Linie dazu dient frühzeitig organische Schäden oder Behinderungen des Kindes festzustellen, oder ungewöhnliche, mit Komplikationen verbundene Lagen des Kindes vor der Geburt, so hat sie in der Vorstellung der Bevölkerung doch nicht zuletzt den Sinn, das Geschlecht noch vor der Geburt zu bestimmen. Die ersten Worte von Hebamme oder Arzt, nach der Geburt, lauten fast immer: „Es ist ein gesundes Mädchen (oder eben ein gesunder Junge)“. Sagt der Arzt nur: „Es ist ein gesundes Kind“, dann wird die Mutter stutzig werden und nachfragen ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.

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Ehrlich gesagt habe ich mir dies noch nie so bewusst gemacht, wie Sie es jetzt aussprechen. Davon bekommt das Kind aber doch noch nichts mit. Diese Dinge können doch nicht in den Bereich der Identitätsentwicklung mit einbezogen werden.

A: Doch, wenn wir dies nicht tun, dann machen wir bereits einen großen Fehler. Die Identität ist, nach heutigem Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nämlich schon festgelegt und zwar unabhängig vom biologischen Geschlecht, auch wenn dies in den meisten Fällen zusammen stimmt. Das Neugeborene hat also nicht nur biologische Vorgaben, sondern auch eine Identitätsvorgabe, ich sage dazu Seele! Beides kann nie mehr in seinem Leben geändert werden. Das Kind wird aber lernen damit umzugehen. Auch Wissenschaftler verwechseln dieses mit der Identität Umgehen mit Identitätsentwicklung. Oder das Kind wird eben daran gehindert mit seiner Identität umzugehen, z.B. wenn die Biologie nicht eindeutig ist, wie dies bei Intersexuellen der Fall ist, oder eben die Identität nicht mit der Erwartungshaltung der Menschen im Umfeld des Kindes in Einklang steht.

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Sie haben mich jetzt richtig neugierig gemacht. Doch zunächst habe ich eine Frage zum Thema ‘Intersexualität’. Bei unseren heutigen Möglichkeiten der Geburtshilfe und der Medizin kann es doch gar nicht mehr vorkommen, dass eine körperliche Abweichung, in Form einer intersexuellen Ausprägung unerkannt bleibt. Diesen Neugeborenen wird doch sofort, zumindest sehr frühzeitig, geholfen. Sie können dann ganz normal als Junge oder Mädchen aufwachsen. Hier müsste doch ein ‘Verschulden’ der Ärzte oder Eltern vorliegen, wenn dem nicht so ist?

A: Vertreter oder Vertreterinnen der Bewegungen, die sich für die Selbstbestimmung und Menschenwürde der Intersexuellen einsetzen, würden Sie jetzt sicher gerne ‘steinigen’. Ich schlage vor, das bei unserem nächsten Treffen ein Vertreter dieser Gruppe anwesend ist und wir uns dann mit diesen Bereich, den ‘Behandlungsmethoden’ bei Kindern mit biologischen Abweichungen, beschäftigen. Ich denke Sie werden dabei schockierende Erkenntnisse gewinnen; und dieses Problem ist auch viel zu umfassend, als dass wir es jetzt hier besprechen können. Aber vielleicht bekommen Sie eine Idee, wenn ich Ihnen sage, dass bei Intersexuellen circa 90% der Kinder, die tatsächlich operiert werden müssen, dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden - und zwar nicht etwa, weil die Kinder einen XX-Chromosomensatz haben - nein, "Es ist einfacher, ein Loch zu machen als einen Pfahl." Da auch die Eltern und die Umgebung gehalten werden, alles zu tun, um das Kind zu einem Mädchen zu machen, und dabei massiver Druck ausgeübt wird, können Sie sich vielleicht vorstellen, was passiert, wenn doch ein "Pfahl" dorthin gehört hätte.

Lassen Sie mich zum Ausgangspunkt, den Kindern bis zum dritten Lebensjahr zurück kommen. Wir Erwachsenen neigen dazu zu glauben, das Kind würde nichts verstehen, nur weil es sich in diesem Alter noch nicht äußern kann. Dabei wissen wir zwar, dass dies nicht so ist, aber wir ignorieren dieses Wissen noch weitgehend oder verdrängen es. Ich möchte so weit gehen, dass ich dies als ‘die Schuld der Erwachsenen’ bezeichne, die sie auf sich laden.

Die Sinne des Kindes, und damit auch seine Wahrnehmung von der Umwelt, entwickeln sich schon etwa drei Monate vor der Geburt. Sind es zunächst die Gefühle, so kommt auch schon dem Ohr als Wahrnehmungsorgan eine große Bedeutung zu, bevor das Kind das Licht der Welt erblickt. Mit der Geburt werden alle Sinne aktiviert und gewinnen zunehmend an Bedeutung. Es entwickelt sich nicht nur körperlich, sondern auch geistig, psychisch und seelisch. Ich unterscheide diese beiden letzten Bereiche bewusst. Meines Erachtens kommt der Psyche eine andere Bedeutung zu als der Seele, vor allem wenn ich die wissenschaftlichen Definitionen von Psyche in Betracht ziehe. Die Seele ist vorgegeben, die Psyche aber den jeweiligen äußeren Umständen angepasst. Von Natur aus ist ein Körper gesund, selbst dann, wenn er nach unseren heutigen Definitionen als behindert eingestuft wird. Der Körper kann krank oder verletzt werden. Dies gilt meines Erachtens analog auch für die Seele.

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Ich verstehe jetzt nicht, warum Sie auf den Begriff ‘Seele’ an dieser Stelle eingehen?

A: Die Erklärung ist ganz einfach: Damit wir eine gemeinsame Gesprächsbasis finden, gehe ich davon aus, dass der Körper das biologische Geschlecht sichtbar macht, also ob ein Mensch zum Zeugen oder Empfangen auf die Welt kommt. Die Seele aber beinhaltet das Identitätsgeschlecht, also die Frage ob ein Mensch männlich oder weiblich ist. Ab dem Zeitpunkt der Geburt wird dem Menschen dann noch das soziale Geschlecht zugeordnet. Im Allgemeinen gehen wir davon aus, dass diese drei Geschlechterdefinitionen gleichgerichtet sind und nur dies natürlich sei.

Vom sozialen Geschlecht wissen wir, dass es in verschiedenen Kulturen, aber auch bei uns in verschiedenen lugins/editors/tinymce/jscripts/tiny_mce/themes/advanced/langs/de.js" type="text/javascript"> Zeiten, Unterschied e und Verschiebungen zu unserer heutigen Sicht gibt und gab. Denken Sie nur an die Jahre nach dem Krieg, als Frauen plötzlich "Männerfunktionen“ einnehmen mussten. Das soziale Geschlecht ist veränderbar und wird von Menschen aus eigenem Antrieb oder durch äußere Einflüsse bestimmt und angenommen oder abgelehnt.

Diese Möglichkeit der Veränderung gibt es weder beim Körper noch bei der Seele. Aus der irrigen Annahme, dass es ja die Psyche sei, durch welche die Geschlechtsidentität festgelegt ist, lassen sich verschiedene Vorstellungen erklären:

Unser psychischer Zustand kann von uns, eventuell mit fremder Hilfe, positiv, sicher aber durch Einflüsse denen wir uns ausgeliefert sehen, negativ beeinflusst werden.

Stabilität und Instabilität unserer Psyche sind einem Entwicklungsprozess unterworfen. Sie kann sich durch traumatische Einflüsse aber auch schlagartig ändern.

Unsere Psyche kann krank sein, also auch geheilt werden.

Wäre nun Geschlechtsidentität eine Sache der Psyche, dann wäre sie entwickelbar, beeinflussbar und heilbar.

Die Geschlechtsidentität ist aber von der Seele vorgegeben. Sie gewinnt im Lauf der Entwicklung des Kindes an Bedeutung. Das Kind wird sich seiner Identität bewusst. Stimmen nun Seele, Körper und soziale Zuordnung zusammen, dann bleibt dieses Bewusstsein nur schwach entwickelt. Nicht aber wenn dabei deutlich wird, dass die Erwartungshaltung der Umwelt anders ist, als das Kind sich empfindet.

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Wollen sie damit sagen, dass Kinder schon vor dem dritten Lebensjahr ein Empfinden für ihre Identität haben?

A: Ja, genau dies will ich damit sagen. Sie können es aber noch nicht ausdrücken oder nach außen für Erwachsene erkennbar machen, jedenfalls im Alltag. Sie erkennen wahrscheinlich auch noch nicht, dass ihr Empfinden, männlich oder weiblich, in der Erwartungshaltung der Umwelt etwas mit der Beschaffenheit ihres Körpers zu tun haben sollte. Was sie aber ‘instinktiv’ tun ist, sich so zu verhalten, dass es ihnen gut geht. Wir hören es immer wieder von Transidenten, dass sie schon in frühester Kindheit spürten, dass ‘etwas nicht in Ordnung sei’, aber nicht wussten was es ist. Erst viel später, als ihnen die Bedeutung von Geschlechtsidentität bewusst wurde, fanden sie dafür einen Namen, manchmal aber auch schon im Alter von 4 bis 6 Jahren. Aus Berichten von Eltern wissen wir, dass Kinder, abweichend von ihren biologischen Vorgaben, schon sehr früh geäußert haben, sie seinen ein Mädchen oder eben ein Junge. Die Antwort der Eltern lautete dann etwa: „Aber nein, mein kleines Dummerchen, ...“.

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Dann können aber Eltern doch auch erst in dieser Zeit darauf aufmerksam werden?

A: Auffällig wird eine vorhandene Transidentität tatsächlich erst in der Entwicklungsphase, in der ein Geschlechtervergleich stattfindet, meist ab dem Kindergartenalter. Hat ein Kind Brüder und/oder Schwestern, so werden Auffälligkeiten oft mit Nachahmung oder neidischem Verhalten verwechselt. Natürlich kann dies vorliegen und ist für sich alleine noch kein Indiz. Bis zum dritten Lebensjahr spielen solche Beobachtungen aber noch keine Rolle. Viel wichtiger sind in dieser Zeit die Prägungen durch die Bezugspersonen des Kindes und die Einflüsse der Menschen in seiner Umwelt.

Jedes Kind lernt in der Zeit der ersten drei Lebensjahre die meisten Strategien zur späteren Lebensbewältigung kennen und ihre Anwendbarkeit in seinem Umfeld. Zu diesen Strategien gehören Durchsetzungsvermögen, Anpassung und Verdrängung, um nur einige wesentliche davon zu nennen. Das Kind wird sie, sein ganzes Leben lang, immer wieder einsetzen. Wir Erwachsenen sind dabei die ‘Gegenspieler’, ohne uns dies wirklich klar zu machen.

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Die Hauptbezugsperson in dieser Entwicklungsphase des Kindes ist in den meisten Fällen die Mutter. Wie kann sie hier steuernd eingreifen um das Lernen von Strategien zu verhindern, die sich später als untauglich herausstellen?

A: Diese Frage hier allgemeingültig zu beantworten ist unmöglich. Selbst wenn ich mich jetzt nur auf die Frage der geschlechtlichen Zuweisung beschränke, gibt es keine allgemeingültige Antwort. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass immer dann, wenn später eine von der biologischen Vorgabe abweichende Geschlechtsidentität sichtbar wird, Parallelen in den Lebensgeschichten auftauchen. Sie wurden auch in der Fremdanamnese sichtbar und lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen. Wenn wir diese Berichte von den Zufälligkeiten der sozialen und intellektuellen Rahmenbedingungen zu befreien, dann könnten etwa folgende Gruppen aufgezählt werden:

Kinder, die überwiegend im Erwachsenenmilieu aufwachsen: Diese Kleinkinder sind fast ausschließlich von Anfang an einer hohen Erwartungshaltung in der geschlechtlichen Rollenzuweisung ausgesetzt. Besonders hart davon sind Jungen betroffen. Bei Mädchen ist die Rollenzuweisung nur dann extrem groß, wenn Vater und Mutter verschiedene Wunschvorstellungen hatten. In diesen Fällen wird es für ein Kind sehr wichtig sein, dass die Mutter zu großen Zuweisungsansprüchen entgegen steuert. Es geht in der Zeit, der Entwicklung bis zum dritten Lebensjahr, um ein Kind und noch nicht um einen Jungen oder ein Mädchen!

Kinder, deren Umfeld eine gut gemischte Altersstruktur aufweist: Diese Kinder können sich meist sehr frei entwickeln. In Fällen, bei denen sich später eine Transidentität herausstellte, stellte sich meistens heraus, dass sie in dieser Struktur dem Zwang einer Rollenzuweisung ausgesetzt waren. Ihre freie Entwicklung wurde dadurch gestört. Auch wenn ich das hier vereinfachend darstelle, mag es einen ersten Einblick in diese Entwicklung geben.

Kinder, in deren Umfeld unter den Erwachsenen sehr große Spannungen bestehen: Da diese Kleinkinder natürlich nicht verstehen können, woher diese Spannungen kommen, diese aber sehr wohl erleben, werden sie grundsätzlich an einer freien Entwicklung gehindert. Sie spüren Ablehnung ebenso wie eine überbetonte, unnatürliche Zuwendung, z.B. im Sinne von: " Ein Glück, dass ich wenigstens Dich habe." Wird dann auch noch dem Kind in diesem Beispiel, biologisch als Mädchen eingestuft, von der Mutter erzählt, wie schlimm doch Männer seien, der Vater oder der ältere Bruder, dann wird sich bei einer schon vorhandenen aber nicht sichtbaren Transidentität bereits in diesem Alter eine Ablehnung der eigenen Geschlechtsidentität manifestieren. Dies führt später zu erheblichen Problemen in der Annahme der eigenen Identität.

Natürlich konnte ich jetzt nur eine sehr grobe Einteilung vornehmen. Das Leben und die Entwicklung eines Kleinkindes sind viel zu komplex um es hier auf einen allgemeingültigen Nenner zu bringen. Dies ist nicht nur ein Nachteil, sondern auch die große Chance, die das Leben für uns bereit hält.

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Könnte man Müttern eine allgemeine Regel für den Umgang mit ihrem Kind an die Hand geben, unabhängig davon, wie die konkrete Lebenssituation aussieht?

A: Ja, gerade für die ersten drei Lebensjahre erscheint mir dies möglich. Die Grundregel sollte heißen: ‘Vermeiden sie jede geschlechtsspezifische Überbetonung, die für die Entwicklung in diesem Lebensabschnitt noch keine Rolle spielt. Lassen sie ihr Kind reifen. Wehren sie sich, im Interesse ihres Kindes gegen Zuweisungen, die von außen kommen. Das Kind wird früh genug damit konfrontiert werden. Je weniger es schon festgelegt ist, um so sicherer kann es später zu seiner Geschlechtsidentität stehen.’

Ende

20. Dez. 1997

 


 

Grundsätzliches zum Thema Namensänderung

Entscheidungen zur Namensänderung nach §4 TSG dienen folgenden Zielen:

1. schrittweise Erprobung der Lebbarkeit der eigenen Identität, ohne dass Veränderungen eintreten, die nur schwer wieder rückgängig gemacht werden können, hervorgerufen durch medizinische Maßnahmen, d.h.: Die Namensänderung nach TSG kann den Weg dafür ebnen, dass die Erprobung im angestrebten Geschlecht zu leben, sozialverträglich gestaltet werden kann. Aus den dabei gewonnenen Erfahrungen kann sich die Notwendigkeit von geschlechtsangleichenden Maßnahmen ableiten, nicht jedoch aus der Namensänderung selbst.

2. Schutz vor Diskriminierung von Amts wegen. Hinweis: Laut schriftlicher Auskunft des Bundesministeriums des Inneren sind die Gerichte angewiesen alles zu tun, damit Diskriminierung und Gefährdung der sozialen Stabilität unterbleiben.

3. Transsexuelle sollen von dem Zwang befreit werden ihrem Arbeitgeber, Behörden oder Kontrollorganen des Staates zu erklären, warum sie anders leben als es der ursprüngliche Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde erwarten lässt (Ausforschungsverbot nach §5 TSG).

Verfahren nach §1 / Entscheidungen nach §4 TSG dauern zwischen 6 Monaten bis zu mehr als drei Jahren. Sieht man von persönlich begründbaren Einzelfällen ab, so ergibt sich derzeit eine durchschnittliche Verfahrensdauer von ca. 1 ½ bis 2 Jahren. Dieser Zustand ist unhaltbar und mit einer "Überlastung" der Gerichte nicht zu erklären. Unterstellt man, dass die Anzahl der Transsexuellen in Deutschland sich in der Größenordnung bewegt, die von "Experten" immer wieder veröffentlicht wird (ca. 6.000 - 8.000 seit 1980), und sieht diese Zahl in Relation zur Anzahl der mit dem Thema beschäftigten Gerichte, dann müsste es möglich sein, dass Verfahren nach §1, Entscheidung nach §4, grundsätzlich in weniger als 6 Monaten erledigt werden können. Verzögerungen durch die Erstellung der Gutachten von Sachverständigen sind ebenso wenig hinnehmbar wie solche durch angebliche Überlastung der Gerichte (siehe auch volkswirtschaftlicher Schaden).

Die vom Gericht zu bestellenden Sachverständigen, die mit der Problematik der Transsexualität ausreichend vertraut sein müssen, haben die Aufgabe zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

1. Ist die Vorstellung des Antragstellers, dem anderen Geschlecht anzugehören glaubwürdig?

2. Besteht diese Vorstellung glaubhaft seit mehr als drei Jahren?

3. Wird sich das Zugehörigkeitsempfinden des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit und nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr ändern?

Der Gutachter hat in keinem Fall die Aufgabe

1. als Diagnostiker tätig zu werden

2. eine Therapie durchzuführen

3. die Notwendigkeit oder Sinnhaltigkeit medizinischer Maßnahmen zu beurteilen

4. die Lebbarkeit der angestrebten Geschlechtsrolle zu beurteilen. (Seine Aufgabe ist es:
" ... sich davon ein Bild zu machen, ob der Antragsteller, mit hoher Wahrscheinlichkeit, auch in Zukunft in der angestrebten Geschlechtsrolle leben will.")

Die Punkte 1 und 2 betreffen das TSG nicht, sie sind Aufgabe der behandelnden Ärzte in dem Rahmen, wie es der Patient wünscht. Die Antwort den Punkte 3 liegt einzig in der Verantwortung des Antragstellers und ist nicht gerichtsrelevant. Ob die angestrebte Geschlechtsrolle lebbar ist hat der Antragsteller selbst zu verantworten. Die Phantasie des Sachverständigen ist hier nicht gefragt oder Ausschlag gebend.

In den letzten fünf Jahren konnte ich immer wieder eklatante Verstöße, von Seiten der Gerichte gegen die gesetzlich vorgeschriebene Fragestellung und von Seiten der Gutachter gegenüber den Fragen, zu denen sie eben nicht Stellung zu nehmen haben, feststellen. Ich habe aussagefähige Gutachten gesehen, die einen Umfang von weniger als einer DIN A4 Seite hatten und zum Erfolg führten, aber auch "Geistesergüsse" von "Experten", die 30 und mehr Seiten lang waren, um am Ende die wirklich relevanten Fragen in einer "Zusammenfassung" von 6 Zeilen am Ende des "Gutachtens" endlich zu beantworten.

In einigen Bundesländern kommt es zu Verfahren, die man eigentlich nur als Verstoß gegen das Grundgesetz einstufen kann:

GG Art. 1. (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar.

·       Ist es mit der Würde des Menschen vereinbar, wenn Gutachter in Niedersachsen fordern, dass sich Antragsteller für die Namensänderung vor ihnen, auch im Beisein von Studenten oder Kollegen, ausziehen und wieder ankleiden, um zu beweisen, dass sie sich nicht nur verkleiden, sondern mit der Wäsche des angestrebten sozialen Geschlechtes auf "natürliche Weise umgehen können"?

·       Ist es mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn in einem Bundesland obligatorisch gefordert wird, dass ein Antragsteller sich in eine stationäre "Behandlung" in der Psychiatrie begibt und dies nur bei großen persönlichen Anstrengungen und unter Hinnahme von Benachteiligung und Verzögerung der Gutachtenerstellung vermeiden kann? (Die Liste könnte noch beliebig erweitert werden.)

·       Ist es hinnehmbar, wenn Sachverständige die Gutachtenerstellung verweigern weil der Antragsteller bereits Hormone genommen hat, bevor ihn der Sachverständige gesehen hat? So geschehen in Schleswig-Holstein.

·       Ist es hinnehmbar, wenn die Gutachtenerstellung mit der Begründung verweigert wird, der Antragsteller müsste durch eine Zwangstherapie erst nachweisen, dass er nicht heilbar sei?

Ein Sachverständiger, der nicht in der Lage ist, sich innerhalb von maximal 3 Sitzungen ein Bild von der Persönlichkeit des Antragstellers zu machen, ist kein Sachverständiger. Er spielt sich entweder zum Richter auf oder er ist durch die Materie "Transsexualität" selbst so verunsichert, dass ihm der Sachverstand abgesprochen werden muss.



 

Entschließung des Deutschen Bundestages an das Europäische Parlament

Deutscher Bundestag

11. Wahlperiode

Unterrichtung durch das Europäische Parlament

Das Europäische Parlament

unter Hinweis auf die Petitionen Nr. 16/84 und 229/87, unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zu den Menschenrechten vom 27. April 1977 (ABl. Nr. C 103 vom 27. April 1977, S. 1), unter Hinweis auf die in der Präambel zur Einheitlichen Europäischen Akte (ABl. Nr. L 169 vom 29. Juni 1987, S. 1) übernommene Verpflichtung, für die in der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der europäischen Sozialcharta anerkannten Grundrechte, insbesondere Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit, einzutreten, unter Hinweis auf die Entschließung des Parlaments vom 29. Oktober 1982 (ABl. Nr. C 304 vom 22. November 1982, S. 253) zur Verbesserung des Grundrechtsschutzes in er EG durch gesetzgeberische Maßnahmen, unter Hinweis auf die Entschließung zur sexuellen Diskriminierung am Arbeitsplatz (ABl. Nr. C 104 vom 16. April 1984, S. 46), unter Hinweis auf die Entschließung über Gewalt gegen Frauen (ABl. Nr. C 176 vom 14. Juli 1986, S. 52), in Kenntnis des Berichts des Petitionsausschusses (Dok. A3-16/89)

A) in der Erwägung, dass das Verfahren einer Geschlechtsumwandlung für Transsexuelle noch immer nicht in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eröffnet und geregelt ist oder dass die Kosten dafür nicht von den Krankenkassen übernommen werden,

B) im Bedauern, dass die Transsexuellen noch immer überall diskriminiert, marginalisiert und zum Teil sogar kriminalisiert werden,

C) im Bewusstsein, dass die Arbeitslosenrate bei Transsexuellen während der Phase der Geschlechtsumwandlung 60 bis 80 Prozent beträgt,

D) in der Erwägung, dass Transsexualität ein psychologisches und medizinisches Problem ist, aber auch ein Problem der Gesellschaft, die sich mit einem Wechsel in der kulturell festgelegten geschlechtsspezifischen Rolle nicht auseinander zusetzen weiß,

1. ist der Überzeugung, dass die Würde des Menschen und das Persönlichkeitsrecht das Recht beinhalten müssen, ein Leben entsprechend der geschlechtlichen Identität zu führen.

2. fordert die Mitgliedstaaten auf, Bestimmungen über das Recht der Transsexuellen auf endokrinologische, plastischchirurgische und ästhetische Geschlechtsumwandlung, über das Verfahren und über das Verbot der Diskriminierung von Transsexuellen zu erlassen.

Das Verfahren sollte mindestens die Möglichkeiten gewährleisten:

a) Psychiatrische/psychotherapeutische Differentialdiagnose des Transsexualismus, im Sinne der Hilfe zur Selbstdiagnose;

b) Beratungszeit; psychotherapeutische Begleitung und Unterstützung; Aufklärung über Geschlechtsumwandlung; medizinische Untersuchungen;

c) Hormonbehandlung/Alltagstest, d. h. leben in der neuen Geschlechtsrolle während mindestens einem Jahr;

d) chirurgischer Eingriff nach Genehmigung durch Fachgremium bestehend aus Facharzt/-ärztin, Psychotherapeuten-/-in und gegebenenfalls einem/einer vom Betroffenen benannten Vertreter/-in;

e) rechtliche Anerkennung : Änderung des Vornamens; Berichtigung der Geschlechtseintragung in Geburtsurkunden und Ausweispapieren;

f) psychotherapeutische und medizinische Nachbetreuung;

3. fordert den Europarat auf, eine Konvention zum Schutz der Transsexuellen zu erlassen;

4. fordert die Mitgliedstaaten auf, Vorsorge dafür zu treffen, dass die Kosten des psychologischen, endokrinologischen, plastischchirurgischen und ästhetischen Behandlung von Transsexuellen durch die Krankenkassen erstattet werden;

5. fordert die Mitgliedstaaten auf, Sozialhilfeleistungen für Transsexuelle, die wegen ihrer Geschlechtsanpassung unverschuldet Arbeit und/oder Wohnung verloren haben, zu gewähren;

6. fordert die Mitgliedstaaten auf , Beratungsstellen für Transsexuelle einzurichten und Selbsthilfegruppen finanziell zu unterstützen;

7. fordert die Mitgliedstaaten auf, Aufklärung über die Probleme von Transsexuellen zu machen, insbesondere bei den Angehörigen ihrer Sozialdienste, der Polizei, der Grenzbeamten, der Meldestellen, der Militärverwaltung, der Haftanstalten;

8. fordert die Kommission und den Rat auf, klarzustellen, dass die Richtlinien der Gemeinschaft über die Gleichstellung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz auch eine Diskriminierung von Transsexuellen verbietet;

9. fordert die Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten auf, Ausweise zu erstellen, die die Transsexuellen auf Wunsch als solche ausweisen und EG-weit anerkannt sind;

10. fordert den Ministerrat und die Mitgliedstaaten auf, bei der Vereinheitlichung des Asylrechts die Verfolgung wegen Transsexualität als Asylgrund anzuerkennen;

11. fordert die Kommission auf, im Rahmen ihrer Förderungsprogramme Mittel zu weiteren Erforschung der Transsexualität und zur Verbreitung der vorhandenen Kenntnisse über die Transsexualität im medizinischen Bereich bereitzustellen;

12. fordert die Kommission auf, bei den Mitgliedstaaten auf besondere Maßnahmen zur Arbeitsvermittlung von Transsexuellen hinzuwirken;

13. fordert, bei der Kommission eine Stelle zu benennen, bei der Fälle von Diskriminierung gemeldet werden können;

14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat, den Regierungen und den Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Europarat zu übermitteln.

 


 

Kommentar zur Entschließung des deutschen Bundestages

Unter 3. wird eine Konvention zum Schutz Transsexueller gefordert, in den bisherigen Vorlagen zum Antidiskriminierungsgesetz hat sie die Bundesregierung aber selbst "vergessen".

Unter 4. wird gefordert, dass Kassen die nötigen Kosten erstatten, aber es vergeht fast keine Woche, in der sich Betroffene nicht an mich wenden, weil die Kostenübernahme von Behandlungen bei uns "schikanös" abgewickelt wird, auch wenn ich nicht beabsichtigte Schikane unterstellen will.

Zu 5.: In den letzten Jahren habe ich es immer wieder erlebt, dass Transsexuelle "Mann-zu-Frau", in Wohngemeinschaften (Hotels) im Zweibettzimmer mit Männern untergebracht wurden, Kleidergeld für weibliche Kleidung versagt wurde, Sonderaufwendungen für Schminke verweigert wurden (obwohl noch keine Epilation vollzogen wurde), ...

Zu 6.: Man fordert vom Parlament die Schaffung von Beratungsstellen und die finanzielle Förderung von Selbsthilfegruppen, hat aber gerade diese Gruppen in der letzten Legislaturperiode aus dem Förderplan gestrichen und tut selbst in der BRD nichts für die Errichtung von Beratungsstellen. Die wenigen Einrichtungen an Universitäten, die sich der Problematik von Beratung annehmen, haben weder die Zeit noch in den wenigsten Fällen die Qualifikation, sich mit der psychosozialen Problematik auseinander zu setzen.

Gerade diese Aspekte aber sind für eine Entscheidung - "bin ich transsexuell? - welche Hilfe und/oder Behandlung brauche ich?" äußerst wichtig. Selbst in Zentren mit hoher Sachkompetenz herrschen Berührungsängste oder Verengungen auf psychologische und medizinische Probleme vor.

Zu 7.: Alle Maßnahmen zur Aufklärung von Sozialdiensten, Polizei, Meldestellen und Haftanstalten musste ich in NRW bisher aus meiner eigenen Tasche bezahlen. Manche dieser Stellen wären bereit gewesen, mir wenigsten meine Auslagen zu erstatten; doch nicht einmal dafür gab es eine Verbuchungsmöglichkeit, geschweige denn für Aufwandsentschädigungen. Erst auf meine Veranlassung hin hat sich der psychologische Dienst im Strafvollzug NRW mit der Thematik beschäftigt und sich von mir mit Infomaterial versorgen lassen. Die Bundesanstalt für Arbeit vertritt die Überzeugung, dass eine Aufklärungsbroschüre über soziale Probleme der Transsexuellen und ihre Wiedereingliederung ins Berufsleben nicht erforderlich sei, was an der Realität aber eindeutig vorbei geht.

Zu 8.: Immer wenn ich mit Gleichstellungsbeauftragen sprach, oder mit Frauenämtern, hieß es: "Natürlich sind Transsexuelle vor Diskriminierung geschützt, sobald sie eben eindeutig seien." Selbst die Bundesanstalt für Arbeit hat im letzten Jahr einen äußerst diskriminierenden Präzedenzfall geschaffen und sich dabei auf die geltende Rechtspraxis berufen. Transsexuelle werden durch die derzeit gültige Form der Gleichstellung von Mann und Frau explizit diskriminiert! Das Ausforschungsverbot, welches Transsexuelle vor Diskriminierung schützen soll, wird auch von Bundesbehörden unterlaufen, wenn eigene Mitarbeiter betroffen sind. Berufssoldaten, die ihre Transsexualität nicht mehr kompensieren können und sich behandeln lassen möchten verlieren nach der geübten Praxis der Bundeswehr ihre Existenz (und ev. die der ganzen Familie).

Zu 9.: da die Bundesregierung es bisher versäumt hat ihre eigene Forderung nach einem Ergänzungsausweis durchzuführen, ist die dgti nun in diese Bresche gesprungen. Das Innenministerium hielt es dabei nicht einmal für nötig, die Länderministerien zu informieren oder sonstige Publikationshilfe zu geben. Die Antwort des BMI, die Gerichte würde ja eine Bescheinigung ausstellen, die Transsexuelle bei Bedarf vorlegen könnten, wenn über gerichtliche Schritte noch nicht entschieden ist, zeigt gelinde gesagt eine sehr realitätsfremde Sichtweise der Verantwortlichen.

Zu 10.: Die Forderung Transsexualität als Asylgrund anzuerkennen spricht der Praxis in Deutschland Hohn. Ein Kubaner, der 6 Monate mit mir in Kontakt war - das mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegende transsexuelle Syndrom konnte

von den hinzugezogenen Ärzten nicht diagnostiziert werden, da die mangelnden Sprachkenntnisse die psychiatrische Differentialdiagnose nicht ermöglichten (in der zur Verfügung stehenden Zeit). Der Kubaner tauchte wegen der drohenden Abschiebung unter.

Zu 12.: Sowohl von der Bundesanstalt für Arbeit, als auch von Landesarbeitsämtern wird die Auffassung vertreten, dass Transsexuelle keinerlei besonderer Maßnahmen bedürfen. Ein in Krefeld seit über 18 Monaten anhängiger Fall wurde von einem Schreibtisch zum anderen geschoben und konnte erst jetzt, durch das Verständnis eines Arbeitgebers und viele private Bemühungen, in eine Umschulung münden, die aber vom Arbeitsamt bisher nicht bezuschusst oder gar bezahlt wird.

Erst durch meine Initiative, vor über drei Jahren, war man im Arbeitsamt Köln bereit Transsexuelle entsprechend dem gelebten Geschlecht in die Arbeitsvermittlung aufzunehmen. Trotzdem funktioniert dies nur, wenn Betroffene von dieser Vereinbarung wissen und selbst darauf hinweisen. Auch in Köln kommt es immer wieder vor, dass der Sachbearbeiter empfiehlt, der/die Arbeitssuchende solle sich doch krankschreiben lassen, bis die "Umwandlung" medizinisch und gesetzlich vollzogen sei.

Zu 13.: Es wird eine Meldestelle für Fälle der Diskriminierung gefordert; bei uns tut man so, als ob alles geregelt sei. Ein extremer Fall aus jüngster Zeit (aus Baden-Württemberg): Eine Transsexuelle, Mann-zu-Frau, wird in der geschlossenen Psychiatrie (Forensikh) vergewaltigt. Folgen für sie: Sie darf keine weibliche Bekleidung mehr tragen. Sie betreibt nun, da sie gehört hat, dass ich Psychiatriepatienten betreue, die Verlegung nach NRW. Diese Betreuungsarbeit kann ich aber nur tun weil ich "glücklicherweise?" arbeitslos bin und alle dabei entstehenden Kosten selbst zahle. Obwohl ich sowohl in JVA-Wuppertal, JVA-Düsseldorf als auch in der Forensikh in Bedburg-Hau qualifizierte Mitarbeit leiste und Informationen zur Verfügung stelle, besteht nach derzeitiger Rechtslage keine Chance der Kostenübernahme.

Zu jedem der aufgeführten Punkte könnte noch eine Unmenge von Beispielen aufgeführt werden. Ich hoffe, dass dazu in geeignetem Rahmen eine Möglichkeit geschaffen wird.

 


 

dgti-Lexikon

Transsexualität:

Dieser Begriff bezieht sich auf die fixierte Vorstellung eines Menschen, dass seine eindeutig körperlich sicht- und nachweisbare Geschlechtszuordnung falsch ist (der Mensch gehört keinem Geschlecht an, sondern er wird nach seiner Geburt zugeordnet). Das Streben der Betroffenen ist meist schon in frühester Kindheit darauf ausgerichtet das körperlich sichtbare Geschlecht zu verheimlichen, bzw. typische Zuweisungen durch Kleidung abzulehnen. Die Vorstellung ist derart fixiert, dass therapeutische Ansätze, die die psychische Geschlechtszugehörigkeit an die vorhandene körperliche anpassen wollen, ausnahmslos scheitern. Dahingehende massive Therapieversuche haben gezeigt, dass diese häufig mit einer deutlichen Steigerung der Suizidbereitschaft der Betroffenen quittiert werden.

Neuere Forschungen international renommierter Spezialisten und Einrichtungen weisen nach, dass Transsexualität wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Bereich der Intersexualität einzuordnen ist

Intersexualität:

Mit den Begriff verbinden sich im Volksmund Worte wie Zwitter oder Hermaphrodit (siehe Tabelle der IS-Syndrome bei www.dgti.org).

Will man den Begriff der Intersexualität mit einfachen Worten korrekt beschreiben, so handelt es sich dabei um die uneindeutige Ausprägung der biologischen Geschlechtsmerkmale (wobei damit noch nichts über die Geschlechtsidentität gesagt werden kann).

Den Begriff der "biologischen Geschlechtsmerkmale" muss man dabei auf:

a)    die inneren und die äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale, sowie

b)    das "genetische Geschlecht" beziehen.

Zu berücksichtigen ist, dass intersexuelle Menschen nicht unbedingt äußerlich als solche zu erkennen sein müssen. Es leidet auch nicht jeder intersexuelle Mensch  unter einem inneren Zwiespalt des Geschlechtsempfindens, d.h. die Geschlechtszuordnung kann mit dem Identitätsgeschlecht zusammen stimmen (muss es aber eben nicht, was erst dann zu Problemen führt).

Transidentität:

Transidentität ist eine Wortschöpfung unserer modernen Zeit. Transidentische Menschen stehen im Widerspruch zwischen der geschlechtlich gelebten Rolle (Sozialisation) und der Rolle in der sie sich sehen und gesehen werden wollen. Dabei macht es keinen Unterschied ob eine Transsexualität oder Intersexualität vorliegt (falls es diesen Unterschied überhaupt gibt).

Oft wird fälschlicherweise in diesem Zusammenhang von "Wunschgeschlecht" gesprochen. Transidenten haben häufig den Wunsch ihr zugewiesenes Geschlecht auch für sich akzeptieren zu können, scheitern dabei aber immer wieder, so dass sie eines Tages keine andere Möglichkeit sehen, als ihren inneren Vorstellungen entsprechend zu leben.

Transvestitismus:

Frühere Definitionen scheinen kaum noch haltbar. Transvestiten betreiben entweder "Travestie", die "Kunst" im anderen Geschlecht aufzutreten, sei es auf der Bühne oder im Alltag, oder sie kompensieren damit eine noch nicht eingestandene Transidentität. Eine sexuelle Störung, im Sinne der Sexualmedizin, ist bei den meisten Transvestiten als Diagnose nicht haltbar, demnach auch nicht therapierbar.

 


 

Der Ergänzungsausweis der dgti®

Im "Alltagstest" - am Flughafen, bei einer Verkehrskontrolle oder einfach nur beim Urlaub im Ausland, braucht man Papiere, die einen eindeutig ausweisen. In der Phase der Umstellung oder Erprobung stimmen jedoch die Personalpapiere und das äußere Erscheinungsbild für einige Zeit nicht überein, was häufig unangenehme Nachfragen zur Folge hat, die auf uns belastend und erniedrigend wirken; in einigen Fällen mussten die Leute auch schon mit auf die Polizeiwache, um die Personalien überprüfen zu lassen. Abhilfe könnten hier Dokumente schaffen, die vom behandelnden Psychologen oder Arzt ausgestellt werden. Diese haben allerdings den Nachteil, dass sie sehr unterschiedlich ausfallen, einsprachig sind und ohne Bild in der erprobten geschlechtlichen Erscheinungsform.

Wir haben einen Weg gefunden, diesem Zustand Abhilfe zu schaffen. Der Ergänzungsausweis enthält alle personenbezogenen Daten des Reisepasses oder Personalausweises. Zudem ist ein Pass foto- in den Ausweis eingeschweißt, so dass keine Diskrepanz zwischen den Papieren und der Person bestehen bleibt. Die dreisprachige Ausführung in Deutsch, Fra nzösisch und E nglisch ermöglicht die Verwendung auf Reisen ins Ausland.

Eine Voraussetzung für den Erhalt dieses Dokuments ist das Vorhandensein der Bescheinigung eines behandelnden Arztes bzw. Psychologen. Es genügt z.B. die Angabe: "... ist wegen des Verdachtes eines transsexuellen Syndroms in Behandlung", oder die Kopie eines Rezeptes für Hormone zur gegengeschlechtlichen Behandlung.

Derzeit ist er die einzige standardisierte Form eines Ausweispapiers, das der besonderen Situation betroffener Menschen Rechnung trägt. Er ist allen Innenministerien der Länder, dem Bundesministerium des Inneren, sowie verschiedenen anderen Behörden, Ministerien sowie verschiedenen Organisationen und Gesellschaften in Deutschland bekannt. Ver suche, die wir selbst mit dem Ausweis durchgeführt haben, waren durchweg positiv. Es entfällt der übliche Erklärungsbedarf. Unter www.dgti.org finden Sie weitere Angaben zur Rechtsgrundlage und vor allem auch Erfahrungsberichte von Ausweisinhabern.

Im Kartentext wird angegeben, in welche Richtung die Reise geht. Die gezeigten Exemplare sind für MzF ausgelegt. Bei FzM oder Intersexuellen werden die entsprechenden Stellen angepasst.

Voraussetzungen für den Erhalt des Ausweises:

1. Kopie des Personalausweises

2. Passbild in der angestrebten Geschlechtsform sowie der amtlichen Größe und Angabe des gewünschten Vornamens

3. Bescheinigung des behandelnden Arztes bzw. Psychologen, dass sich der Antragsteller in der Erprobungs- oder Umstellungsphase befindet (auf Stempel und Unterschrift des Arztes achten)

4. Eine Erklärung, dass der Antragsteller Stichprobenkontrollen über die Identität des Antragstellers zustimmt

5. Den Preis EUR 10,00 zur Kostendeckung, an unten angegebenes Konto überweisen und Einzahlungsbeleg beifügen

6. Einen freigemachten Umschlag (Kompaktbrief, A6, Langform) oder Briefmarke beilegen. Zur Zeit EUR 0,90.

7. Alles ( Punkte 1-6) in einen freigemachten Briefumschlag stecken und abschicken an

dgti e.V. "Ergänzungsausweis"

c/o H. K. Alter
Sulzbacher Str. 43
90489 Nürnberg

8. Einzahlung an: dgti e.V., Kölner Bank e.G., BLZ: 371 600 87 Konto: 583 922 008, Verwendungszweck: "Ergänzungsausweis für ..."

9. Alles andere kommt so bald als möglich per Post ( bitte vergessen Sie nicht Ihre aktuelle Postanschrift)

ES KANN KEINE BEARBEITUNG STATTFINDEN, WENN NICHT ALLE PUNKTE 1 BIS 7 VOLLSTÄNDIG ERFÜLLT SIND.

Der Ergänzungsausweis dient nicht nur zum Schutz vor Diskriminierung von Behördenvertretern, sondern leistet auch beim Erhalt und der Wiedergewinnung sozialer Stabilität gute Dienste. Er wird von vielen Arbeitgebern und Krankenkassen anerkannt um den sozialen Umstieg, unabhängig von einem Antrag nach TSG bzw. dessen Entscheidung, bereits die Papiere auf den neuen Namen auszustellen. Dieses positive Verhalten trägt dem folgenden Grundsatzurteil Rechnung.

 


 

Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes

IV. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs.2 Lit. B, § 93b Satz 1 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet; die insoweit maßgeblichen Fragen hat das BVG in seinem Beschluß vom 11. Oktober 1978 (BVerfGE 49, 286 ff.) bereits entschieden. Die Kammer ist damit auch zur Sachentscheidung berufen (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

1.

Art. 1. Abs. 1 GG (Anmerkung: GG nachlesen) schützt die Würde des Menschen in der Individualität, in der er sich selbst begreift. Dieser Verfassungsgrundwert gewährleistet zugleich in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG die Freiheit des Individuums, sich seinen Fähigkeiten und Kräften entsprechend zu entfalten. Aus der Achtung der Menschenwürde  und dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit folgt das Gebot, den Personenstand des Menschen dem Geschlecht zuzuordnen, dem er nach seiner psychischen und physischen Konstitution zugehört (vgl. BVerfGE 49, 286). Die Frage, welchem Geschlecht sich ein Mensch zugehörig empfindet, betrifft dabei seinen Sexualbereich, den das GG als Teil der Privatsphäre unter den verfassungsrechtlichen Schutz der Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gestellt hat (vgl. BVerfGE 47, 46; 60, 123; 88, 87). Jedermann kann daher von den staatlichen Organen die Achtung dieses Bereichs verlangen. Das schließt die Pflicht ein, die individuelle Entscheidung eines Menschen über seine Geschlechtszugehörigkeit zu respektieren.

2.

Auslegung und Anwendung des TSG bestimmen sich nach diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen.(Anmerkung: Ein Großteil der Juristen, Arbeitsrecht ler und Richter, zuständig für Anwendung und Auslegung von geschlechtsspezifisch en Anordnungen oder Gesetzen, hat diesen Satz scheinbar nie gelesen!) Das TSG vom 10. September 1980 (BGBl. I, S. 1654). dessen Entstehung auf dem Beschluß des BVG vom 11. Oktober 1978 (BVerfGE 49, 286 ff.) zurückgeht, sieht für den Geschlechtswechsel eine abgestufte Regelung vor. Der eigentlichen Geschlechtsänderung auf Grund geschlechtsanpassender Operation ("große Lösung") nach den § 8 ff. TSG kann danach gemäß § 1 bis 7 TSG als Vorstufe eine Vornamensänderung vorausgehen ("kleine Lösung"), die es nach dem Willen des Gesetzgebers der transsexuellen Person erlauben soll, schon frühzeitig - seiner psychischen Befindlichkeit entsprechend - in der Rolle des anderen Geschlechts aufzutreten (vgl. die Entwurfsbegründung zum TSG unter Nr. 2.5). Die Vorwirkung der Namensänderung stellt damit einen Fall der ausdrücklich vorbehaltenen anderweitigen gesetzlichen Bestimmungen i.S. des Grundsatzes nach § 10 Abs. 1 TSG dar, der die Rechtswirkungen der Geschlechtsumwandlung von der Durchführung des Verfahrens nach § 8 ff TSG abhängig macht. Dabei kann nicht zweifelhaft sein, daß die rechtlich anerkannte Vorwirkung des § 1 TSG in vollem Umfang dem grundrechtlichen Schutz der Intimsphäre nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG unterfällt. Für das Auftreten in einer bestimmten Geschlechtsrolle ist nach allgemeinem Verständnis die Anredeform ("Herr ..."/"Frau ...") von zentraler Bedeutung. Deshalb fordert es die Achtung vor der in § 1 TSG vorgesehenen Rollenentscheidung, eine Person nach Änderung ihres Namens ihrem neuen Rollenverständnis entsprechend anzureden und anzuschreiben. Nur dieses Verhalten wird der geschilderten gesetzgeberischen Absicht des § 1 TSG gerecht; nur diese Auslegung des § 1 TSG erscheint auch mit der Wertentscheidung der Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GFGT vereinbar.

 


 

Das Beratungsgespräch

"Transsexuell- ja oder nein? - hoffentlich nicht? - und wenn doch?"

Hinweise für Menschen, die Hilfe suchen,
aber auch für Ärzte, Psychologen und "Helfer"

von Helma Katrin Alter, Nürnberg

(analog gelten diese Aussagen auch für die anderen Beratungsstellen der dgti)

1. Wie verläuft das Beratungsgespräch?

Immer wieder erreichen mich Briefe, Anrufe und Mails, in denen die Frage nach der prinzipiellen Arbeitsweise der Beratungsstelle gestellt wird. Ich möchte deshalb die entsprechende Antwort veröffentlichen, vor allem auch, weil ich denken, dass sie ...

... für andere Gruppen und Beratungswillige eine Anregung ist, wie mit der Problematik "TRANSIDENTITÄT" umgegangen werden kann. Natürlich ist diese Antwort nur eine von vielen Möglichkeiten, auch wenn verschiedene Grundaussagen für viele gemeinsam zutreffen werden.

... es vor allem für die Menschen wichtig ist, die so sehr noch in sich gefangen sind, dass sie es gar nicht wagen würden diese Frage zu stellen.

Bei einem Erstkontakt plane ich 2 bis 4 Stunden ein. Die Beratung findet in meinem kombinierten Wohn-/Arbeitszimmer statt. Je nach persönlicher Situation der/des Ratsuchenden treffen wir uns am Vormittag, Nachmittag, Abend oder in Ausnahmefällen auch am Wochenende (bei einer weiten Anreise eventuell auch mit Schlafmöglichkeit bei mir).

Zunächst versuche ich durch gegenseitiges Kennenlernen eine gut Gesprächsbasis zu finden. Es muss ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen aufgebaut sein. Dann versuche ich deutlich zu machen, dass nur der rein rechtliche Weg eindeutig geklärt ist und für alle Betroffenen gleich, der medizinische und soziale Weg ist für jeden Menschen verschieden, auch wenn es dabei ein Mindestmaß an Regeln einzuhalten gilt. Ich versuche also abzuklären, inwieweit die Vorstellungen des Betroffenen mit der Realität übereinstimmen, wenn möglich dadurch, dass er/sie selbst im Gespräch darauf kommt.

Gemeinsam versuchen wir dann Lösungsalternativen im Bereich der medizinischen Betreuung und der sozialen Stabilisierung zu erarbeiten.

Dazu müssen natürlich sehr viele, auch sehr persönliche, manchmal intime Informationen ausgetauscht und besprochen werden. Wir werden immer wieder kürzere Pausen brauchen, denn nach einiger Zeit raucht der Kopf. Es stehen auch Videofilme als Auflockerung und Info zur Verfügung. Was dann am Ende konkret herauskommt ist immer offen.

Im Mittelpunkt steht immer der "ganze" Mensch, nicht nur das Problem "Transidentität". Fehlt beim Ratsuchenden dieses Grundverständnis, so muss es behutsam aufgebaut und bewusst gemacht werden.

Die Beratungsstelle steht auch Ärzten, Psychologen, Sozialarbeitern, ... zur Verfügung um grundsätzliche Fragen zu klären oder um in Einzelfällen, unter Wahrung der Schweigepflicht auf beiden Seiten, konkrete Lösungswege zu erarbeiten. Die Beratungsstelle kann auch von Medienvertretern in Anspruch genommen werden, um zur Unterstützung von Recherchen Grundsatzfragen zu klären und Wissen zu erlangen. Über Einzelfälle kann nur dann gesprochen werden, wenn die betroffene Person selbst anwesend ist und dies wünscht!

2. Was wird von mir erwartet? Was kann ich erwarten?

Als wichtigste Grundvoraussetzungen erwarte ich vom/von der Ratsuchenden:

Ein vereinbarter Termin muss eingehalten werden. Wenn etwas dazwischen kommt, dann soll er rechtzeitig abgesagt werden. Ich halte meist 4 Stunden für ein solches Gespräch frei, um es im Ausnahmefall auch so lange ausdehnen zu können, oder aber ausklingen zu lassen, damit der/die Ratsuchende die Beratungsstelle in einer möglichst guten Verfassung verlassen kann.

Sicher habe ich Verständnis, wenn jemanden im letzten Augenblick der Mut verlässt. Dann aber sollte der/die Ratsuchende kein schlechtes Gewissen haben und baldigst Bescheid sagen, warum er/sie nicht kam. Wenn jemand den ersten Schritt, die Terminvereinbarung, geschafft hat und beim zweiten, dann zu kommen, zunächst versagt, ist dies keine Schande. Ich mache mir aber Sorgen. Also Anrufen, wenn der Termin versäumt wurde und ehrlich bleiben. Er/sie bekommt einen neuen Termin. Versprochen!

Ratsuchende sollen wegen ihres Anliegens kommen. Wer als Mitbetroffene/r alleine kommt darf nicht erwarten, dass er/sie "Rezepte" für den eigentlich Betroffenen abholen kann. Mit Eltern eines transidentischen Kindes werde ich über und mit den Eltern sprechen, und nur in diesem Zusammenhang über das Kind. Dies gilt natürlich auch im umgekehrten Fall und bei Partnerschaften, wenn nur der selbst nicht betroffene Partner kommt.

Ratsuchende können natürlich den/die Partnerin mitbringen, Kinder ihre Eltern und umgekehrt, oder auch eine andere Begleitperson, z.B. einen Freund oder den Sozialbetreuer. Ich hatte auch schon einen Psychotherapeuten mit seinem Patienten zusammen hier. Grundsätzlich gilt: Jeder spricht nur für sich selbst.

Der/die Ratsuchende kann von mir erwarten:

Ich habe sehr viel Geduld und lasse ihm/ihr Zeit zur "Sache" zu kommen. Den Einstieg in das Gespräch werde ich immer individuell gestalten, je nach der ratsuchenden Person, der Tageszeit und den sonstigen Umständen.

Ich kann sehr gut reden und habe auch sehr viel zu sagen. Doch jeder der schon bei mir war weiß, dass ich vor allem sehr gut und konzentriert zuhören kann. Ich kann ein Gespräch, oder den Verlauf der Erzählung des Ratsuchenden, lenken. Doch meist las ich ihm freien Lauf, damit der/die Ratsuchende selbst merkt wo "der Schuh" wirklich drückt.

Ich halte keine Informationen zurück, vor allem aber dränge ich keine auf.

Ich unterwerfe mich selbst der Schweigepflicht. Wenn ich Beispiele verwende bin ich dazu entweder ausdrücklich von der Schweigepflicht entbunden oder sie sind so anonymisiert, dass sie nicht gebrochen ist. Außerdem spielen Beispiele anderer Ratsuchender nur in Ausnahmefällen eine Rolle für das Gespräch. Jeder Mensch ist anders, jeder Mensch lebt in anderen sozialen Zusammenhängen, auch wenn sich Geschichten von Transidenten in vielen Punkten zu gleichen scheinen.

3. Auf wen lasse ich mich da ein?

Im Lauf der letzten Monate hörte ich immer wieder den Satz: "Im Internet ist in allen möglichen Homepages viel von Dir zu lesen, aber nirgends findet man etwas über Dich".

Zu meiner Person

Ich bin Mensch, in meiner Weiblichkeit - Frau, mit männlicher Vergangenheit - Transidentin.

Ich wurde im Februar 1945 geboren, als "ganz gesunder Junge". Häufig hieß es aber: "Wäre das ein hübsches Mädchen geworden". Schon im Alter von vier Jahren spürte ich, dass etwas nicht in Ordnung war, versteckte aber alle eigenen Bemühungen "ein Mädchen" zu werden, nachdem mich meine Eltern im 10. Lebensjahr erwischten, als ich heimlich die Sachen meiner Schwester trug.

Schon mit 15 Jahren übernahm ich die Leitung einer Jugendgruppe von Gleichaltrigen, beschäftigte mich mit Psychologie und Pädagogik. Mit 21 Jahren leitete ich die Werkschule der Firma Grundig. Später arbeitete ich fast 15 Jahre in der Ausbildung und Rehabilitation von Körperbehinderten und übernahm dabei auch Aufgaben im psychologischen und sozialen Bereich.

Von 1966 bis 1989 war ich verheiratet, habe zwei Kinder und drei Enkelkinder. Ich lebte nach außen in den fast perfekt gelernten Rollen als Ehemann, Vater, strebsamer Mitarbeiter. Dass ich in Wirklichkeit eine Frau war, war sowohl eine Bereicherung in der Partnerschaft, führte aber auch zu großen Spannungen.

Mehrere Versuche, seit 1970, als Frau zu leben, scheiterten sowohl an eigenen Ängsten, als auch an Einflüssen von außen. Erst seit Sommer 1994 lebe ich so wie ich bin, als Frau. Ich schrieb damals meinen Nachbarn einen Brief: " ... möchte ich mich Ihnen vorstellen, obwohl ich schon seit 5 Jahren hier wohne. Sie haben gesehen, dass ich in letzter Zeit öfter Damenbesuch bekomme, was für einen alleinstehenden, älteren Herrn sicher nicht ungewöhnlich ist. Ungewöhnlich ist nur, dass ich diese Dame selbst bin und mich ab morgen nicht mehr als Mann verkleiden werde. ..." Danach suchte ich nach über sechs Jahren "Härtetest" als Mann erstmals wieder einen Arzt auf um die für mich zusätzlich nötigen Schritte der Behandlung einzuleiten.

Heute bin ich kirchlich engagiert, singe im Chor. Ich bin von den Frauen meines Ortsvereins der SPD als Vertreterin in den Unterbezirk der AsF (Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen) gewählt. Ich bin Mitglied im Beschwerderat Psychiatrie der PSAG der Stadt Köln (drei professionelle Vertreter/Ärzte, Psychologen und drei Laienvertreter). Ich konnte die Arbeitslosigkeit, in die ich durch konjunkturelle Entwicklungen noch als "Mann" geraten war, auch als Frau mit über 50 Jahren noch nicht überwinden. Dies soll zur Schilderung der heutigen sozialen Lage reichen.

4. Was kostet die Beratung? Wie geht es weiter?

Die Beratungsstelle bekommt bisher keinerlei öffentliche Gelder, Zuschüsse oder Gelder von Sponsoren. Die real entstehenden Kosten kann z.Z. die dgti erstatten, für Raum und Zeit gibt es keinen Ausgleich. Für die Beratung gilt der Ausspruch:

Die Beratung ist (fast) kostenlos aber hoffentlich nicht umsonst.

Aus obigen Ausführungen seht Ihr aber sicher, dass wir auf einen freiwilligen "Bürozuschuss" angewiesen sind. Seine Höhe soll jeder Ratsuchende selbst im Bereich von Euro 0,50 bis Euro X festlegen. Über alle Zuschüsse wird Buch geführt. Sie werden ausschließlich für Kosten wie Porto, Telefon, Onlinezeit, Büromaterial, ... verwendet. Informationsmaterial wird zu einem Staffelpreis, nach Selbsteinschätzung, abgegeben. Die niedrigste Staffel ist dabei jeweils der Selbstkostenpreis für Herstellung oder Beschaffung. Überschüsse werden als Vorleistung für die Erstellung neuen Materials verwendet. Nur so können wir das Angebot für die Zukunft ausbauen und attraktiv gestalten.

Oft werde ich am Ende des Erstgesprächs gefragt, wie es denn nun weiter gehe. Dabei ist die Fortsetzung der Kontakte mit oder Hilfen durch die Beratungsstelle gemeint.

In erster Linie liegt es an dem/der Ratsuchenden selbst. Denkbar sind weitere Termine bei mir. Da wir uns nach einem Gespräch ja doch schon recht gut kennen, lassen sich einige Dinge per Mail, Post oder Telefon erledigen.

Nur in wichtigen Ausnahmefällen suche ich von mir aus den Kontakt zum Ratsuchenden.

Der/die Ratsuchende sollte eventuell auch einmal daran denken, dass es für mich ein gutes Gefühl ist, wenn er/sie sich beim mir mal irgendwie meldet, nicht weil es wieder oder noch Probleme gibt, sondern nur um mir zu berichten, wie es denn weiter gegangen ist. Ich freue mich über solche Anrufe oder Nachrichten.

Wenn Ihr Probleme mit dem Gericht oder Krankenkassen habt, von Mitmenschen wisst, die Probleme mit Gerichten oder Krankenkassen haben, dann informiert bitte umgehend die Geschäftsstelle der dgti e.V., Sulzbacher Str. 43, 90489 Nürnberg. Legt bitte der Schilderung des Sachverhaltes auch die Kopien der entsprechenden Schriftstücke bei. Alle Mitteilungen werden streng vertraulich behandelt, im Einzelfall werden wir nur tätig, wenn wir eine ausdrückliche Vollmacht dafür erhalten.

Ziel unseres Aufrufes ist es belegbare Fälle für unsere sozialpolitischen Aktivitäten zu erhalten. Das TSG und der Umgang damit berührt die Bereiche des Justiz-, Innen-, Sozial-, Gleichstellungs- und Familienministeriums.

Mai 2001

V.i.S.d.P. Helma Katrin Alter – Beratungsstelle Nürnberg der dgti

 


 

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