Stellungnahme der dgti
zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abg. Christina Schenk und der Fraktion der PDSBT-Drs. 14/5425
B - Zur Geschichte
In diesem Abschnitt werden scheinbar harmlos Fragen gestellt, die sich mit der Kenntnis über Geschlechtszuweisung, der Haftung und den Versuchen Schadensersatzansprüche durchzusetzen beschäftigen. Die Fragen sind einfach gestellt, die Antworten kurz und klar formuliert. Genau dies aber macht diesen Teil zum politisch beschämendsten Teil der Antwort der Bundesregierung.
Bevor ich nun aber auf die Antworten eingehe möchte ich dem Leser klar machen, wie die Lage im Parlament, der Regierung und den staatlichen Organen und Behörden aussieht:
Laut Angaben der Bundesregierung über die Häufigkeit von Intersexualität, und unterstelle ich, dass die Durchschnittsfamilie aus drei Personen besteht, ist jeder 300 - 500 Abgeordnete, Politiker, Beamter und Angestellter in Bundesbehörden selbst oder durch ein Familienmitglied von der "Problematik" direkt betroffen. Wagt niemand von seiner eigenen, direkten oder indirekten Betroffenheit zu sprechen? Sind sie alle durch die Experten geheilt und glücklich oder sind sie vor Angst blind?
Ich habe in meinem Sachbuch, wenn auch nur am Rande, auf die Gefahr der Wissenschaftsgläubigkeit hingewiesen. Auch in dieser Antwort stammen die Aussagen nicht von der Regierung oder der Politik sondern den Experten, genau den selben Menschen, die hier mit der Anfrage eigentlich kritisch hinterfragt werden sollten.
Die Bundesregierung und Parlamentarier, soweit sie mit für die Veröffentlichung verantwortlich sind, sind der klaren Schlichtheit der Expertenantworten einfach aufgesessen. Es sind banale Vereinfachungen, Schutzbehauptungen und teilweise sogar Lügen, im Schweigen oder gespielter Ahnungslosigkeit versteckt.
Nun aber zu den Antworten auf diesen Frageteil.
(F7) Es soll die Frage beantwortet werden, seit wann in Deutschland (!) geschlechtszuweisende Maßnahmen bei Säuglingen, Kleinkindern und Minderjährigen vorgenommen werden.
Die Antwort auf diese Frage erscheint unter einem besonderen Licht, wenn man bedenkt, dass die Bundesregierung auf (F8) sagt, ihr lägen keine Erkenntnisse über den Umgang mit und die Forschung an Intersexuellen im Naziregime vor. Woher mögen denn die operativen und hormonellen Behandlungsmöglichkeiten stammen, die zu einer nennenswerten Steigerung der geschlechtszuweisenden Behandlung an Kindern und Minderjährigen mit Beginn der 50er Jahre führten?
Unterstelle ich, dass es sich um ausgebildete Ärzte handelte, die dabei mitwirkten, und mache ich mir zusätzlich klar, dass es sicher nicht die Jüngsten waren und die durchschnittliche Ausbildungszeit mit Fachausbildung 12 - 15 Jahre dauert, dann möge der Leser selbst nachrechnen, wenn Ärzte in den 50er Jahren ihre Ausbildung erhalten haben und wann ihre Lehrer ausgebildet wurden.
Es erschreckt mich wenn kein Politiker stutzig wurde, als die Experten schreiben es seien aus früheren Jahren nur einzelne Fallbeispiele bekannt. Sie hätten sich auch fragen müssen wo denn und mit welchen überprüfbaren "Erfolgen" die vermehrten Fälle dokumentiert sind. Ohne als polemisch eingestuft zu werden möchte ich feststellen: "Könnte es sein, dass hier die ärztliche Schweigepflicht als Deckmantel für wissenschaftlich nicht nachprüfbares Verhalten missbraucht wird?"
(F9) und (F10) stellen die Frage nach dem Versuch von Betroffenen Schadenersatz für Eingriffe an nicht einwilligungsfähigen Minderjährigen zu erhalten und danach, ob eine Entschädigung Intersexueller geplant sei.
Wenn die Bundesregierung schreibt sie wisse nichts von Schadenersatzforderungen, dann glaube ich ihr dies sogar. Da die Antwort aber von Experten vorgelegt wurde ist es ganz einfach eine Lüge. Es wurden Schadenersatzforderungen gestellt. Es kam bisher jedoch zu keinem Verfahren in dem Schadenersatz durchgesetzt wurde. Dies hatte teilweise mehrere Gründe:
1. Wie die Bundesregierung in der Antwort zur (F22) selbst feststellt sei eine strikte Geschlechtserziehung und entsprechende Behandlung notwendig. Strikt heißt in diesem Fall, dass fast immer dem Kind der wahre Grund einer Behandlung vorenthalten wird. Oft verdrängen sogar die Eltern die wahre Ursache der Behandlung und hoffen nur, dass schon alles gut geht.
Muss nun ein Intersexueller seine Eltern verklagen, die ja in Behandlungen eingewilligt haben oder kann er die Ärzte verklagen, die zu der Behandlung geraten haben?
2. Welches Gericht wäre zuständig und auf welcher Rechtsgrundlage könnte eine Klage erhoben werden?
3. In den meisten Fällen ist es einem Intersexuellen nicht möglich die vollständige Dokumentation seiner Behandlung, ab der erfolgten Geschlechtszuweisung überhaupt zu bekommen. Oft ist es nicht einmal mehr möglich nachzuweisen, welche Eingriffe vorgenommen wurden. Vollständige Hermaphroditen wurden einfach eines ihrer Geschlechter beraubt ohne je zu erfahren, dass dies u.U. der Grund für spätere Probleme der Persönlichkeitsentwicklung ist.
Vor wenigen Wochen stellte erst ein Gericht fest, dass es gesetzlich keine Hermaphroditen gibt und deshalb auch kein Anspruch bestehe als solcher in die Geburtsurkunde eingetragen zu werden. Das Gesetz hat festgelegt, dass es nur männlich und weiblich gibt und die Natur hat sich daran zu halten. Der Mensch, der es für sich anders empfindet ist folglich per Gesetz als krank einzustufen und muss solange behandelt werden bis er sich eindeutig zuordnet. Bis zu seiner Heilung muss er eben in Kauf nehmen, dass ihm bestimmte Rechte nicht zustehen. Soweit die vereinfachte Logik dieses Gerichtes.
Und auf die Frage nach staatlichem Handlungsbedarf antwortet die Regierung, mit den Worten der Experten, der Staat solle sich da raus halten. Die Wissenschaft erledigt das schon. Könnte es sein, dass die Experten angst haben man würde ihnen in ihre Forschungen und Dokumente sehen und dabei Dinge entdecken, die sehr wohl einen Schadenersatzanspruch rechtfertigen?